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Bei klarem Wetter reicht der Blick von den Arkenbergen bis zum Fernsehturm (rechts im Bild). Aber Berlin scheint weit weg von hier.

© Stefan Jacobs

Das ist die Höhe: Arkenberge: Der höchste Berg von Berlin ist neuerdings in Pankow

Immer mal wieder will ein anderer Hügel Berlins höchster sein. Gerade wird wohl der Teufelsberg übertrumpft – von den Arkenbergen. Ein Ausflug zum Gipfel, hoch oben im Norden von Pankow.

Im Norden das Meer, im Süden die Berge und mittendrin wir als Nabel der Welt. So war es immer – aber jetzt könnte es sich ändern: Die Arkenberge, eine Bauschuttdeponie am nördlichen Stadtrand, sollen neuerdings Berlins höchste Erhebung sein: 122 Meter, behauptet die Bauschuttfirma, die sie aufgeschüttet hat. Im Januar hat sie bereits einen Findling als Gipfelstein abgeladen und ein Fest veranstaltet – wohl als Teil ihres Plans, den Haufen zu einem touristischen Highlight zu entwickeln. Am Montag will das Bezirksamt Pankow den Berg vermessen und seine Höhe verkünden, dezimetergenau. Sollten die 122 Meter stimmen, wäre der Teufelsberg mit seinen 120,1 Metern nur noch Zweiter und der – im Gegensatz zur Konkurrenz immerhin natürlich entstandene – Große Müggelberg fiele auf den dritten Platz zurück: 114,8 Meter.

Wie bedeutsam solche Dinge sind, ist spätestens seit 2008 klar, als die Ahrensfelder Berge in Marzahn dank einer Aussichtsplattform plötzlich als angebliche neue Rekordhalter groß im Gespräch waren. Und in Brandenburg streiten sich zwei Orte gerade um 46 Zentimeter. So viel soll der Kutschenberg an der Landesgrenze zu Sachsen höher sein als der bisher auf Platz 1 geglaubte Hagelberg bei Bad Belzig, der nun mit 200,24 Meter angegeben wird. Es wird mit harten Bandagen gekämpft; Gipfelkreuze treten gegen Skihütten an, rhetorischer Schnee gegen Vermesserlatein. Gründe genug, sich vorsorglich einen Überblick über die Lage in Berlin zu verschaffen – vom Gipfel der Arkenberge aus.

Nach überraschend langer Fahrt durch Feld und Flur ragen sie hinter Pappeln und der undurchdringlichen Kruschelvegetation eines Hundeauslaufgebiets auf: Tatsächlich ist es eine Doppelspitze. Wie bei den Grünen. Doch bei den Arkenbergen ist nur der nördliche grün; der südliche zeigt nackte Erde und Sand ohne einen Halm. Zwei ältere Spaziergänger wissen von einem Gipfelkreuz und empfehlen eine Lücke im Zaun, weil das Tor am Wochenende verschlossen ist. Sie selbst seien noch nie oben gewesen, aber das mit dem Höhenrekord haben sie schon gehört. Es treibt sie nicht sonderlich um. Beim Aufstieg entlang der Baustraße wird der Vorteil der kahlen Kuppen klar: Nach kurzer Zeit die Baumgrenze erreicht und der Blick frei. Erst nach Norden, wo die Autos den Berliner Ring entlangkriechen und Windräder – auf Augenhöhe! – in Märkischer Weite rotieren.

Fernsehturm, Teufelsberg - hier sieht man alles

Bald öffnet sich der Blick auch in die anderen Richtungen. Fernsehturm, Kraftwerk Reuter, Teufelsberg – alles weit weg, aber gut sichtbar an diesem klaren Tag. Sonst scheint Berlin eine Ansammlung einzelner Hochhäuser hinter den Feldern zu sein. Märkisches Viertel, Marzahn, Park Inn: Riesenmikado am Horizont. Je näher der Gipfel, desto heftiger zerrt der Wind. Oben reißt der Sturm einem fast die Ohren vom Kopf. Auf dem Nordplateau flimmert das Gras, auf dem kahlen südlichen – nach Augenmaß dürfte es das höhergelegene sein – dominiert Mondlandungsgefühl. Ton, Steine, Scherben. Aber kein Gipfelkreuz, und selbst den Stein müssen sie nach der Party im Januar wieder abtransportiert haben. Gefühlte Höhe: beinahe vierstellig.

Die Heim Deponie und Recycling GmbH, der der Berg nach Auskunft von Pankows Stadtentwicklungsstadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) auch gehört, will den Berg später für ganzjähriges Rodeln, Caravanstellplätze, Gastronomie und Paragliding nutzen. Letzteres sei wegen einer nahen Hochspannungsleitung verworfen worden, was Kirchner mit dem Hinweis kommentiert, „das ganze Leben ist gefährlich“. Ansonsten kann er sich als Mensch wohldosierten Ausflugsverkehr durchaus vorstellen, aber als Stadtrat warte er erst mal den Rechtsstreit zwischen der Firma und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ab. Die sei nämlich gegen die Nachnutzung, weil die Arkenberge zwischen Natur- und Landschaftsschutzgebiet liegen. Deren Wert erkennt man, wenn man wieder unten ist, wo der Wind nicht mehr so heult, sodass man die Wildgänse auf den nahen Teichen schnattern und allerlei Kleingeflügel im Schilf tirilieren hört. Oben kreist ein Greif, noch eine Etage höher schrauben sich Kraniche in den Himmel. Ein Idyll. Aber jetzt kommt ein Rudel Huskies angehechelt. Zeit für den Rückzug. Der Bus fährt am Wochenende fünfmal täglich, werktags im Stundentakt. Insofern sind die Arkenberge ein Ausflugsziel für Selbstfahrer und passionierte Wanderer.

Wo liegt eigentlich der tiefste Punkt der Stadt?

Ein Insidertipp bleiben sie deshalb wohl vorerst weiter, zumal am Montag nur eine „Kurzmessung“ geplant ist. Die aufwändigere, fast millimetergenaue Variante, sei aktuell nicht vorgesehen, sagt Gisela Fabian, die in der Stadtentwicklungsverwaltung das Referat Geodätische Referenzsysteme leitet. Und nur für geologisch zur Ruhe gekommene Orte würden die amtlichen „Höhenfestpunkte erster Ordnung“ samt einbetoniertem Metallstift vergeben. Insofern ist der Bauschuttberg im Wortsinn ein Wackelkandidat, während der Teufelsberg als gefestigt gilt und der Müggelberg erst recht. 232 solcher markierten Höhenfestpunkte gebe es stadtweit, außerdem knapp 8000 der zweiten und dritten Ordnung, also etwas weniger aufwändige.

Der tiefste offizielle Landpunkt der Stadt befindet sich übrigens am Spektesee in Spandau: 28,1 Meter über Normalnull. Und unter Wasser wird nicht gemessen.

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