zum Hauptinhalt

Debatte über Stadtentwicklung: Blick fürs große Ganze

SPD, Grüne und Linke proben im Arbeitskreis die Wende in der Stadtentwicklung – und suchen ein Leitbild für die Metropolenregion. Austauschbare Architektur wie zuletzt am Hauptbahnhof halten Forscher für wenig nachhaltig.

Wer Großes im Blick hat, stolpert schnell übers Kleine. Und sei es nur ein Abflugtermin. Mit dem hatte Ex-Kultursenator Thomas Flierl (Linke) auf dem Rückweg aus dem Osterurlaub Probleme. Dabei hätte er den Journalisten im Abgeordnetenhaus gern selbst vom fehlenden großen Leitbild in der Berliner Stadtentwicklung erzählt. Wahlkampf ist Zeit für Visionen.

So hing es an Mittes Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) und der grünen Stadtentwicklungsexpertin Franziska Eichstädt-Bohlig, die Ideen der rot-rot-grünen Arbeitsgruppe vorzustellen. Die denkt seit September darüber nach, was schiefgelaufen ist in der Stadtentwicklungspolitik. „Wo soll Berlin eigentlich hinentwickelt werden“, fragt Eichstädt-Bohlig. Da habe es bei Parteien und Senat bisher kaum Ideen gegeben.

In Kooperation mit „Think Berlin +“, einem Wissenschaftlerteam von der TU, erarbeitet die ungewöhnliche Koalition Vorschläge zur Stadtentwicklung: Nicht mehr kleine Ausschnitte, sondern die gesamte Metropolenregion müsse der Maßstab sein. Drei Viertel aller Berliner wohnten nicht im Innenstadtbereich, dennoch konzentriere sich die Planung bisher fast nur darauf, sagt Harald Bodenschatz, Architektursoziologe an der TU. „Auch Großsiedlungen des sozialen Wohnungsbaus müssen endlich in der Stadtentwicklung Thema werden.“

Dass SPD-Mann Ephraim Gothe Berlins Stadtentwicklung seit Jahren als Baustadtrat selbst mitgestaltet, hindert ihn nicht, den Senat zu kritisieren. „Ich habe das Gefühl, dass nach Fertigstellung des Hauptbahnhofs in Berlin die Meinung herrscht, die Stadtentwicklung sei jetzt abgeschlossen.“ Seine Chefin Ingeborg Junge-Reyer habe es schwer, im Senat mit dem Thema anzukommen. Aus Sicht der Wissenschaftler geht es aber nicht ohne politische Richtungsentscheidungen. Bei vielen Fragen drängt die Zeit: Was passiert mit dem Nordosten, wenn Tegel geschlossen wird? Wie kann der Flughafen kompensiert werden, was soll dort entstehen? Profitieren, das erwartet „Think Berlin +“, wird der Bereich um die Verbindungslinie zwischen dem neuen Großflughafen in Schönefeld und Potsdam. Und ein weiterer Konflikt sei ungelöst: „Das Verhältnis City-West zu Mitte ist bisher nicht geklärt.“

Wer den Blick vom Einzelprojekt zum Ganzen weite, müsse auch fragen, ob ein mit Bürotürmen zugebautes Spreeufer noch attraktiv für Berlin-Touristen ist. Es mache auch keinen Sinn, ohne überbezirkliche Absprachen Technologieparks zu bauen, sagt Harald Bodenschatz. Acht solcher Parks gibt es bereits. Die konkurrierenden Bezirke versuchten, Projekte in den eigenen Park zu locken. Franziska Eichstädt-Bohlig kritisiert: „Wenn der Senat keinen Schwerpunkt setzt, dann verhalten sich Bezirke wie klassische Umlandkommunen: Jeder kämpft für sich allein.“

Austauschbare Architektur wie zuletzt am Hauptbahnhof, wo ein Hotel eine Qualitätsdebatte ausgelöst hatte, halten die Forscher für wenig nachhaltig. Das Beispiel London habe aber gezeigt: Ein Umdenken ist möglich.

Zur Startseite