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Die SPD streitet am Rathaus: Stadtplaner befürchten Verwahrlosung des Fernsehturm-Viertels

Fachpolitiker sind gegen die Initiative des Parteichefs Stöß, der den Stadtkern rekonstruieren will. Doch die Zeit drängt, meinen Stadtplaner. Sie sehen das Viertel unterm Fernsehturm verwahrlosen.

Der Vorstand der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus bereitet einen Beschlussentwurf für die Koalition zur Gestaltung der historischen Mitte vor. Wie berichtet, hatte SPD-Chef Jan Stöß gefordert, die „seelenlose“ Brache zwischen Fernsehturm und geplantem Schlossneubau im Rahmen einer IBA mit Wohnungen zu bebauen. Die CDU erkennt darin „große Schnittmengen“ zum eigenen Beschluss, wonach das Areal auf Grundlage der historischen Parzellen mit zeitgenössischer Architektur als Stadtkern zurückgewonnen werden soll. Die Vorschläge der SPD-Spitze greife man auf.

„Wir hoffen, dass diese Initiative in der SPD-Fraktion eine Mehrheit findet“, sagte CDU-Fraktionsvize Stefan Evers, der die Beschlussvorlage zügig auf den Weg zum politischen Partner bringen will. Fraktionschef Raed Saleh hatte in dieser Zeitung die Vorschläge von Parteichef Stöß unterstützt. Der Fraktionschef würde damit allerdings abrücken von der bisherigen Beschlusslage der SPD zur Zukunft des Rathausforums. Demnach soll dieses Areal zunächst als von „Grün geprägter Freiraum“ in der heutigen Form erhalten bleiben.

Bausenator Müller, der sich am Wochenende in die Debatte eingeschaltet hatte, möchte das Areal bis zur Fertigstellung des Humboldtforums unbebaut lassen. Auch die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Ellen Haußdörfer, sagte auf Anfrage: „Dem Rathausforum muss man noch Zeit geben, rund um die historische Mitte entstehen viele andere Projekte“. Diese hätten Priorität. Ähnlich äußerte sich auch der Chef des Arbeitskreises Stadtentwicklung der SPD, Daniel Buchholz.

Wegen der vor dem Vorstoß des SPD-Chefs noch klar verlaufenen Fronten zwischen SPD und CDU in dieser Frage war im Koalitionsvertrag eine fast schon widersprüchliche Formulierung aufgenommen worden. Diese würde sowohl eine Bebauung auf dem historischen Grundriss als auch einen von Grün geprägten Freiraum im Rathausforum zulassen. Unklar ist allerdings weiterhin, ob sich Saleh als Chef in seiner eigenen Fraktion durchsetzen kann – oder ob erstmals ein im Gleichschritt mit Stöß initiierter politischer Vorstoß aufgrund interner Widerstände von Fachpolitikern im Sande verläuft. Zumal der Riss quer durch die Fraktion verläuft. Kulturstaatssekretär André Schmitz etwa begrüßte die Initiative von Stöß.

Die Vize-Fraktionschefin der Linken, Katrin Lompscher, nannte einen „qualifizierten öffentlichen Raum mit Rathausforum und viel Grün“ weiterhin „eine tragfähige Vision“. Eine bessere Finanzausstattung des Grünflächenamtes und häufigere Reinigung der Straßen und Plätze könne die Aufenthaltsqualität verbessern. Die Integration historischer Spuren sei wünschenswert, eine behutsame bauliche Ergänzung nicht ausgeschlossen, müsse aber breit diskutiert werden.

„Wir können uns die Verwahrlosung am Rathausforum auf Dauer nicht leisten, deshalb brauchen wir eine Urbanisierung“, sagte der Doyen der Berliner Stadtentwicklung, Dieter Hoffman-Axthelm, auf Anfrage. Ein „Aufbauprozess“ tue an diesem Ort not, der den Stadtgrundriss auf Grundlage der historischen Parzellen wiederherstelle und dabei die bestehenden Denkmäler und die DDR-Moderne mit einbeziehe. Auf der Grundlage könne Berlin nach dem Vorbild von Hamburg die Durchführung von Architekturwettbewerben bei der Bebauung jeder einzelnen Parzelle vorschreiben. Voraussetzung dafür sei jedoch ein übergreifendes Konzept, wie Urbanität an den unwirtlichen Ort zurückkehren kann, die eine soziale Stabilität in den Quartieren gewährleistet.

Dagegen sieht die Arbeitsgruppe historische Mitte in der Stiftung Zukunft Berlin vor dem Roten Rathaus „das große Feld als Zukunftsbild für die Stadtmitte“. Ein weites Feld ist es auf jeden Fall.

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