zum Hauptinhalt

Berlin: Die Stadt im Rollerkoller - Vorfahrt für die 50 000 Skater

Die Rollschuhfahrer fordern freie Fahrt auf den Straßen, die CDU befürwortet Freigabe der Tempo-30-ZonenKatja Füchsel und Holger Stark Am Tag nach der ersten Blade Night in diesem Jahr ist der Streit um das Rollerskaten erneut entflammt. Der ADAC forderte, die Skater aus der Innenstadt zu verbannen.

Die Rollschuhfahrer fordern freie Fahrt auf den Straßen, die CDU befürwortet Freigabe der Tempo-30-ZonenKatja Füchsel und Holger Stark

Am Tag nach der ersten Blade Night in diesem Jahr ist der Streit um das Rollerskaten erneut entflammt. Der ADAC forderte, die Skater aus der Innenstadt zu verbannen. Der Sprecher der Innenverwaltung, Stefan Paris, sagte, die Versammlungsbehörde prüfe, ob die als Demonstration angemeldete, regelmäßige Veranstaltung durch Auflagen eingeschränkt werden kann. Zugleich deutet sich ein politischer Kompromiss an: Der verkehrspolitische Sprecher der CDU, Alexander Kaczmarek, sprach sich gestern für einen Modellversuch in Tempo-30-Zonen aus, mit dem Skater als Verkehrsteilnehmer auf die Straße gelassen werden sollen. Der Versuch könnte laut CDU noch in diesem Jahr beginnen.

Die erste Blade Night der Saison hatte am Mittwochabend gleich alle Rekorde gesprengt: Rund 50 000 Skater zählten Polizei und Veranstalter auf dem Kurs zwischen Siegessäule, Potsdamer Platz und Brandenburger Tor. Für rund 45 Minuten gehörte die Innenstadt den Sportlern auf acht Rollen, die wie ein riesiger Schwarm Grillen durch Tiergarten fuhren. Die Fahrgäste in den Bussen sowie Auto- und Radfahrer mussten warten - wer Pech hatte, stand wegen der Skater eine Stunde im Stau.

"Wir wollen uns das nicht mehr antun", sagte Eberhard Lange, Sprecher des ADAC gestern. "Verkehrsteilnehmer wurden massiv stundenlang gestört." Der ADAC fordert deshalb, dass sich Veranstalter und die Behörden zusammensetzen, "um eine Lösung zu finden". Ziel: die Blade Night aus der Innenstadt verbannen - "beispielsweise zum Olympiastadion", so Lange. Der Veranstalter des Happenings zeigte dagegen gestern kein Mitleid mit dem Rest der Stadt. "Es ist nicht hilfreich, wenn sich die Autolobby über die Verkehrsbeeinträchtigungen beschwert", sagte der Rechtsanwalt Jan-Philipp Sexauer.

Als die Blade Night das erste Mal am 3. Juni 1998 mit etwa 30 Teilnehmern startete, störte der Umzug keinen Menschen. Doch schon ein Jahr später war die Demonstration mit 30 000 Skatern zur größten Skaterveranstaltung Europas angewachsen. Immer wieder geriet vor allem der Verlauf der Skater-Demo in die Kritik. Auch Mittwochabend musste die Polizei große Teile der Innenstadt für den Verkehr sperren. "Um 21.30 Uhr passierten die ersten Skater das Adlon, um 22.17 Uhr die letzten", sagt ein Anwohner. In den kommenden Monaten wollen sich die Rollschuhfahrer jeden ersten und dritten Mittwoch eines Monats am S-Bahnhof Tiergarten treffen.

Die Veranstaltung bringt vor allem Innensenator Eckart Werthebach (CDU) in Entscheidungszwang. Werthebach hatte die Verbannung von Demonstrationen aus der Ost-Berliner City gefordert und unter anderem damit begründet, dass das Versammlungsrecht mit dem Recht auf Mobilität anderer kollidiere - dies gilt besonders für die Blade Night. Gestern sagte Werthebachs Sprecher Stefan Paris, die Innenverwaltung wolle "weg von der Diskussion um Verbote, hin zu Auflagen."

Werthebachs Vorstöße zu Demonstrationen hätten sich "vor allem auf Extremisten bezogen", so Paris. Auch der verkehrspolitische Sprecher der Union, Kaczmarek, sagte, Werthebach habe "nicht so sehr die Blade Night, sondern ganz andere Demonstrationen im Sinn gehabt". Die bündnisgrüne Fraktionschefin Renate Künast kritisierte deshalb gestern: "Dass Werthebachs Argumentation absurd ist, sieht man daran, dass er als erstes die Blade Night und die Love Parade verbieten müsste, dies aber nicht tut."

Statt einer polizeilichen Lösung deutet sich im Fall der Skater dagegen eine politische Einigung an - möglicherweise mit einer schwarz-grünen Allianz. "Auch das Verkehrsrecht muss sich weiter entwickeln", sagt Alexander Kaczmarek. "Wir könnten uns vorstellen, Skaten in Tempo-30-Zonen als Modellversuch in den Straßenverkehr zu integrieren." Nach Kaczmareks Vorstellung könnte eine entsprechender Versuch noch in diesem Jahr beginnen. Auch Künast forderte gestern: "Skating muss als Verkehrsmittel anerkannt werden." Quer durch die Stadt müssten die Roller-Blades als Fortbewegungsmittel benutzt werden können und dabei Straßen und Busspuren befahren können. Eine entsprechende Änderung der Straßenverkehrsordnung wollen die Grünen nach einer gemeinsamen Anhörung mit ihren Kollegen aus dem Bundestag auf den Weg bringen. Lediglich die SPD tut sich noch schwer mit der Idee. Während der verkehrspolitische Sprecher Christian Gäbler mit einem solchen Modellversuch leben könnte, lehnt ihn der Verkehrsexperte Jürgen Radebold ab: "Das ist zu gefährlich." Radebold will deshalb die Blade Night wie bisher beibehalten.

Als eine Art Übergangslösung fordert der Blade-Night-Organisator Sexauer nun, die Straßen jeden Sonntag für die Skater freizugeben - nicht zum Vergnügen, sondern "um Skater nach und nach in den Straßenverkehr zu integrieren". Es müssten "behutsam erste Erfahrungen gemacht werden."

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false