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Berlin: „Ein völkerrechtlicher Skandal“

Innensenator Körting versucht seit Jahren, kriminelle Ausländer auszuweisen Doch dies scheitert am Widerstand des Libanon und der Türkei

Von Frank Jansen

Sie haben schwere Straftaten begangen und sollen nach mehrjähriger Haft in ihre Heimatländer Libanon oder Türkei zurückgebracht werden. Doch Beirut und Ankara stellen sich stur – deshalb bleiben insgesamt 94 kriminelle Libanesen, Palästinenser sowie libanesische Kurden, die auch die türkische Staatsangehörigkeit haben, in Berlin. Das geht aus einer deutschlandweiten Liste der Ausländerbehörden hervor, die sich beim Bundesinnenministerium und dem Auswärtigen Amt beklagt haben. In dem Papier, das dem Tagesspiegel vorliegt, zeigt sich, dass Berlin zu den am härtesten betroffenen Bundesländern zählt. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) ist empört und verzichtete am Freitag auf diplomatische Floskeln: „Ich halte die Behandlung dieser Rücknahmefälle sowohl durch die libanesischen wie auch die türkischen Behörden für einen völkerrechtlichen Skandal.“

Bei den genannten Kriminellen dominieren Gewalt- und Drogendelikte. Einige Beispiele: Neun Jahre Haft bekam ein im südlibanesischen Nabatieh geborener Mann wegen versuchten Totschlags, ein anderer, ebenfalls aus Nabatieh stammend, verbüßte sechseinhalb Jahre wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 31 Fällen. Ein in Beirut geborener Libanese fiel als notorischer Heroin-Dealer auf und musste eine Jugendstrafe von zwei Jahren und acht Monaten absitzen. Bei einem vierten Mann häuften sich schwerer Raub, gefährliche Körperverletzung und weitere Delikte, für die er zu mehreren Jugendstrafen verurteilt wurde. Doch keinen der Täter konnten die Behörden in den Libanon abschieben. Beirut weigert sich, Passersatzpapiere auszustellen. Obwohl die Herkunft der Männer, wie der Liste zu entnehmen ist, eindeutig erscheint.

Berlin bemühe sich seit Jahren, „derartige Straftäter entsprechend dem Aufenthaltsgesetz auszuweisen und abzuschieben“, sagte Körting. Und er nannte 16 Fälle, in denen die Stadt „teilweise seit 2003“ vergeblich bei den libanesischen Behörden die Aufnahme ihrer Landsleute gefordert habe. Dem türkischen Staat hält Körting vor, er habe in einem „besonders schwerwiegenden Fall“ einen Straftäter ausgebürgert, in einem anderen den Kriminellen „kurzerhand für tot erklärt“.

Der Senator kritisiert allerdings auch die Bundesregierung. Sie habe es „nicht vermocht, ausreichenden Druck auf den Libanon auszuüben, um eine völkerrechtliche Selbstverständlichkeit, nämlich die Rückführung von Personen aus dem Libanon, vertraglich sicherzustellen“. Ein „erster zaghafter Schritt“ der Regierung hin zu einem entsprechenden Abkommen mit Beirut sei „nicht erfolgreich zu Ende geführt worden“, klagte Körting.

In der Liste steht Berlin an der Spitze, allerdings machten Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern keine Angaben. Hamburg und Bremen dürften aber ähnlich belastet sein wie Berlin. Insgesamt werden in dem Papier 225 Fälle genannt. Stärker betroffen sind auch Nordrhein-Westfalen mit 59 Fällen und Niedersachsen, dort konnten 36 Kriminelle nicht ausgewiesen werden. Das Bundesinnenministerium nannte die Liste am Freitag eine „Argumentationshilfe gegenüber der libanesischen Seite“. Frank Jansen

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