zum Hauptinhalt
Sie hat Post. Tagelang wollte niemand die Briefe abholen, die eine Erzieherin zufällig gefunden hatte. Woher die Kiste stammt und wer sie im Gebüsch abgelegt hat, ist unklar.

© ddp

Panne bei der Post: Eine Kiste voller Briefe im Gebüsch

Kita-Erzieher fanden an einem Reinickendorfer Spielplatz hunderte nicht zugestellter Sendungen. Doch die Post kümmerte das nicht.

Die gelbe Plastikkiste der Deutschen Post stand im Gebüsch gleich neben dem Kita-Spielplatz. Randvoll war sie mit Hunderten von aktuellen Sendungen, jeweils gebündelt mit Gummibändern für die Zustellbereiche in den umliegenden Straßen. Ein Briefträger war aber weit und breit nicht zu sehen. Irgendjemand hatte die Kiste unter den Sträuchern abgestellt und war danach verschwunden. Entdeckt wurde sie bereits am Mittwoch vergangener Woche von Erziehern der Kita der Evangelischen Evangeliumsgemeinde an der Hausotterstraße in Reinickendorf. Tagelang haben sie sich seither bemüht, bei der Post jemanden zu finden, der die Kiste wieder abholt. Doch vergebens. Am Dienstag verloren die Erzieher die Geduld, sie riefen die Polizei an. Beamte des Abschnitts Am Nordgraben holten die Box ab und brachten sie der Post zurück. Seither werden die Briefe nachträglich ausgetragen.

„Wir trauten unseren Augen nicht“, erzählt Kita-Leiterin Sibille Schönenberger. Alle Sendungen seien an Empfänger in der näheren Umgebung adressiert gewesen. Zuerst versuchte sie deshalb, ihr örtliches Postamt an der Residenzstraße zu informieren. Das war aber nicht möglich, weil Berlins Postämter telefonisch nicht erreichbar sind, es sei denn, es handelt sich um eine der neuen Postagenturen in Privatgeschäften. Nun suchte sich Sibille Schönenberger im Berliner Telefonbuch den Anschluss der „Briefpost“ heraus. Es kam: „Kein Anschluss unter dieser Nummer.“ Schon etwas genervt ging sie ins Internet und fand hier das bundesweite Servicetelefon der Post: 01802-3333. Dort versprach ihr eine „freundliche weibliche Stimme“, die Kiste werde umgehend abgeholt.

Danach passierte – nichts. Am Montag beschwerte sich die Kita-Chefin beim Servicetelefon und erhielt das Versprechen, man werde sich „sofort“ kümmern.

Danach passierte – wieder nichts.

Am Dienstag rief Schönenberger dann entnervt bei der Polizei an.

Welche Wege die Briefpost normalerweise zurücklegt, lesen Sie auf Seite 2.

Anke Baumann, Postsprecherin in Berlin, entschuldigt sich „für die Nachlässigkeit“ des Servicetelefons. „Die Kollegen sind dazu verpflichtet, sich umgehend mit den jeweiligen örtlichen Stellen in Verbindung zu setzen.“ Wieso die Kiste im Gebüsch landete, werde nun mit Nachdruck untersucht. Auch der Bereich „Konzernsicherheit“ sei eingeschaltet, da man es möglicherweise mit einem Vergehen zu tun habe, das scharf sanktioniert werden müsse. Baumann: „Es handelt sich um einen bedauerlichen Einzelfall.“

Die Briefpost wird in den Zustellzentren maschinell sortiert und für die jeweiligen Austräger zusammengestellt. Mit der Hand müssen die Zusteller nur noch wenige Sendungen nachsortieren. Sie fahren dann mit ihren Kisten los und steuern, wenn diese geleert sind, meist ein Depot an mit weiteren, dort zwischengelagerten Sendungen, die sie nachmittags austragen. Die Depots können verschließbare Metallkästen auf der Straße sein oder Geschäfte, die als Zwischenlager dienen. Dort hingebracht werden die Sendungen in der Regel von privaten Transportdiensten. Möglicherweise sei die Kiste auf diesem Wege abhandengekommen, so eine Vermutung in Postkreisen.

Von einem aufgebrochenen Depot ist bislang nichts bekannt. Geprüft wird nun auch, welcher Zusteller am Mittwoch vergangener Woche im betroffenen Bereich Dienst hatte. Auf die Verlässlichkeit der 2500 Berliner Austräger hält die Postsprecherin aber große Stücke. Man arbeite nicht mit Subunternehmen. „Wir haben fast durchweg festangestellte Mitarbeiter, die aufs Postgeheimnis verpflichtet werden.“ Nur saisonal würden Aushilfskräfte mit Fristverträgen eingestellt.

Im Februar 2009 verschwanden schon einmal zahlreiche Sendungen. Damals hatte ein Zusteller der Deutschen Post einen Sack mit Briefen unterschlagen, um sie Zuhause nach Geldscheinen und EC-Karten zu untersuchen. Er wurde festgenommen. Zwei weitere Fälle vom Dezember 2009 und März 2011 betrafen private Zustelldienste in Brandenburg. In Rathenow hortete ein Briefträger 2009 3200 Gerichtsbescheide, in Neuenhagen unterschlug eine Zustellerin rund 1000 Sendungen. Beide gaben als Grund an, sie seien völlig überlastet gewesen.

Bis zu zehn Stunden tägliche Arbeitszeit, immer größere Zustellbezirke und Stress wegen Personalmangels wurden noch 2008 immer wieder im Zusammenhang mit Klagen über unzuverlässige Austräger der Deutschen Post genannt. Dort hat sich seither aber offenbar Vieles zum Positiven geändert. Benita Unger vom „Fachbereich Post“ der Gewerkschaft Verdi sagt, das Personal sei erheblich verstärkt worden. Unger: „Eine Ausbeutungssituation wie bei manchen Privatzustellern, die Schluderei oder Missbrauch fördert, ist bei der Post nicht gegeben.“

Zur Startseite