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Die Todesursache ist noch unklar. Knut war zu dem Zeitpunkt allein in seinem Gehege, die drei Eisbärinnen, mit denen er sich das Gehege teilte, waren bereits eingesperrt.

© dapd

Update

Berliner Zoo: Eisbär Knut: Tod eines Superstars

Völlig unerwartet starb Eisbär Knut am Sonnabend in seinem Gehege. In den vier Jahren seines Lebens war das Tier zu einem internationalen VIP geworden – und zum Symbol für den Zustand der Erde.

Berlin hat einen Weltstar verloren. Am Sonnabendnachmittag starb Eisbär Knut. Während die Besucher zu Tausenden in den Zoo geströmt waren und die Vorfrühlingssonne genossen, brach der Publikumsliebling nach 15 Uhr plötzlich zusammen und trieb tot im Wasserbecken seines Geheges – vor den Augen von mehreren hundert Zuschauern.

„Knut lag ganz friedlich auf einem Felsen im Wasser“, sagt ein Augenzeuge. „Auf einmal stand er auf und drehte sich ein, zwei Minuten lang im Kreis.“ Dann habe der Bär gezuckt und offenbar das Gleichgewicht verloren. „Er fiel ins Wasser, zuckte noch mehrmals und ging dann unter.“ Die meisten hätten wohl sofort geahnt, dass das Tier tot war. Viele hätten um Hilfe gerufen; Pfleger seien erst später hinzugekommen. Mehrere Anwesende berichten, Knut habe dem Anschein nach einen Krampf gehabt.

Um 17 Uhr gibt Bärenkurator Heiner Klös eine improvisierte Pressekonferenz. Er ringt um Worte, als er die Ereignisse schildert. Knut habe sich völlig normal verhalten. Einen Angriff von Knuts oft aggressiven Mitbewohnerinnen Tosca, Nancy und Katjuscha schließt Klös zumindest als akute Todesursache aus. Die drei Eisbärinnen seien zur fraglichen Zeit nicht auf derselben Anlage gewesen. Genaueres solle bei einer Sektion des Tieres am Montag oder Dienstag herausgefunden werden. Bis dahin, bittet Klös, möge man von Spekulationen absehen.

Der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes äußert sich jedoch nur wenig später: „Das kurze und qualvolle Leben von Knut zeigt erneut, dass Eisbären nicht in den Zoo gehören, auch wenn sie Knut heißen“, sagt Wolfgang Apel. Er sei betroffen über die Nachricht. Aus Anlass von Knuts Schicksal wolle er die Haltung von Wildtieren in deutschen Zoos grundsätzlich hinterfragen.

Im Zoo sperren Mitarbeiter das Eisbärengehege weiträumig ab. Unter den Besuchern spricht sich die Nachricht jedoch nur allmählich herum. Allenfalls die immer zahlreicher eintreffenden Journalisten sind ein Indiz, dass etwas Ungewöhnliches geschehen sein muss.

Den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) erreicht die Meldung am frühen Abend. „Das ist entsetzlich“, sagt der Regierungschef. „Wir alle hatten ihn ins Herz geschlossen.“ Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast erklärt: „Berlin hat den kleinen Knut mit Hingabe begleitet. Damit er nicht vergessen wird, sollten wir uns den Schutz seiner großen Familie zur Aufgabe machen.“

Der Tag, an dem Knut Millionen verzauberte, jährt sich am kommenden Mittwoch zum vierten Mal. Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt übertrugen Kamerateams das Ereignis live auf mehrere Kontinente. Wohl nie zuvor schloss die Welt ein Zootier so sehr ins Herz wie diesen winzigen Eisbären, der mit seinen dunklen Knopfaugen in den grauen Berliner Spätwinter blickte. Ein Kuscheltier wie aus Kinderträumen. Und ein Symbol für die Verletzlichkeit der Welt in Zeiten von Klimawandel und schmelzendem Polareis. Der damalige Umweltminister Sigmar Gabriel – inzwischen SPD-Chef – übernahm die Patenschaft für den kleinen Bären mit der großen Symbolkraft.

Nach seiner Geburt am 5. Dezember 2006 waren Knut und sein Zwilling von seiner Mutter Tosca nicht versorgt worden. Das andere Eisbärenbaby starb nach wenigen Tagen. Keine Seltenheit in Zoos: Eisbärenkinder, die sonst in der eisigen und daher fast keimfreien Arktis aufwachsen, gelten wegen ihrer besonderen Empfindlichkeit für Infektionen als schwierige Zoobewohner.

Knut war nach 33 Jahren das erste im Berliner Zoo geborene Eisbärenjunge, das überlebte. Er gedieh unter der Fürsorge seines Pflegers Thomas Dörflein. Der zog ihn von Hand auf, lebte monatelang nur für ihn und mit ihm. Umso größer war der Schock nicht nur für die vielen Stammgäste, als Dörflein im September 2008 erst 44-jährig starb. Der Weltruhm des kleinen Eisbären hing auch mit dessen Pfleger zusammen. Riesig war das Gedränge, wenn Dörflein mit seinem Schützling zur „Knut-Show“ erschien, ihn mit einer Decke neckte und mit ihm ins Wasser sprang. Später traf er sich hinter den Kulissen verbotenerweise mit Knut, der nun gleichzeitig sein auf ihn fixierter Zögling und ein potenziell gefährliches Raubtier geworden war.

Schon zu jener Zeit stand Knuts Wegzug aus Berlin zur Debatte. Doch nach massiven Protesten der Fans lenkte der Zoo ein. Zugleich wurde die Kritik an Zoodirektor Bernhard Blaszkiewitz lauter: Der Eisbär werde nicht genug beschäftigt, und auch das Marketing des Zoos sei nicht zeitgemäß. Doch die Besucherzahlen stiegen; der Zoo nahm dank Knut zusätzliche Millionen ein, während der Tierpark Friedrichsfelde ins Hintertreffen geriet.

Ein Streit mit Knuts formalem Eigentümer, dem Tierpark Neumünster, ließ sich mit 430 000 Euro Kaufpreis aus der Welt schaffen. Doch es gab neuen Ärger, als Knut – nach einigen harmonischen Monaten mit der ausgeliehenen Münchner Eisbärin Giovanna – zu drei deutlich älteren Eisbärinnen umquartiert wurde. Tosca, Nancy und Katjuscha hetzten ihn durchs Gehege. „Den Anblick des Publikumslieblings Knut, der von den drei großen Eisbären derart verfolgt wird, hätte man dem Publikum ersparen müssen“, sagt Klaus Lüdcke, der Tierschutzbeauftragte des Senats. Aber: Knuts Gesundheit sei deshalb nicht in Gefahr gewesen, fügte der pensionierte Tierarzt Lüdcke hinzu. Auch Klös versicherte, man sei kein Risiko eingegangen.

Der Tierärztliche Notdienst will am Samstagabend keine Ferndiagnose wagen. Grundsätzlich aber könnten Tiere ebenso wie Menschen an verschiedensten Herz- oder Kreislaufstörungen sterben – auch ganz plötzlich und in jugendlichem Alter.

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