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Wenn einem alles wurst ist. Als Konnopke’s Imbiss vor rund 85 Jahren gegründet wurde, bestand die Kundschaft vor allem aus Schichtarbeitern. Heute versorgt Inhaberin Waltraut Ziervogel eher Touristen. 

© Christian Thiel/Imago

Familie Konnopke in der Schönhauser Allee: Vom Wurstmaxe zur Berliner Legende

Vor 85 Jahren gründete die Familie Konnopke ihr kleines Unternehmen. Ein neu erschienenes Buch schildert seine Geschichte.

„Wenn Konnopke keine Wurscht mehr hat, ist die DDR am Ende“, hieß es im Ost-Berlin der fünfziger Jahre. Der Fall trat nicht ein – dafür ist aber längst klar, dass der Spruch umgekehrt keine Geltung hat. Denn auch nach dem Ende der DDR hat sich das kleine Unternehmen mit der langen Berliner Geschichte glänzend behauptet und verkauft seine berühmten Currywürste jedem, der sich in die Warteschlangen unter der U-Bahn in der Schönhauser Allee einreiht. Das gerade erschienene Buch mit dem sinnfälligen Titel „Konnopke’s Imbiß“ berichtet, reich bebildert, von dieser Geschichte.

Sie beginnt vor gut 85 Jahren, im Jahr 1929, als der Bauernsohn Max Konnopke seine Arbeit verliert – die Weltwirtschaftskrise hat auch seinen Heimatort, Groß Döbbern in der Niederlausitz, erreicht. Er sucht sein Glück in Berlin und schließt sich den „Wurstmaxen“ an, die aus dem Kessel vor dem Bauch heiße Würstchen verkaufen. Mit dabei ist seine Flamme Charlotte, die er schon als Ferienkind auf dem Bauernhof der Familie kennengelernt hat.

Hochzeit und Firmengründung an einem Tag

Beide heiraten am 4. Oktober 1930 – und gründen am selben Tag ihre kleine Firma. Sie binden sich an den Weißenseer Traditionsmetzger Koschwitz, verkaufen dessen Würste und verstehen es rasch, sich die schweren Kessel vom Hals zu schaffen und auf einen stationären Holztisch umzusteigen: Max verkauft an der Ecke Stargarder Straße/Schönhauser Allee, Charlotte ein paar Schritte weiter an der Danziger Straße, immer von abends sieben bis morgens um fünf. Später versorgen sie auch Volksfeste, Sportveranstaltungen und Baustellen, doch der Stammplatz unter der U-Bahn bleibt.

Das Geschäft mit hungrigen Schichtarbeitern floriert auch in der Nazi-Zeit: 1933 wird ein Motorrad mit Beiwagen angeschafft. Damit fährt der unpolitische Max Konnopke sogar sofort nach München, um den Reichsparteitag der NSDAP zu versorgen. Erst mit Kriegsbeginn wird das Fleisch immer knapper, und die Familie – 1936 wird die Tochter Waltraud geboren – versucht sich mit Kartoffelpuffern durchzuschlagen. Doch bald ist Schluss, Max muss in den Krieg ziehen, Charlotte flüchtet mit ihren inzwischen zwei Kindern nach Groß Döbbern.

Im Winter 1945/46 beginnt das zweite Leben der Firma. Max kehrt aus der Gefangenschaft zurück, schafft es, sich das Weißenseer Wohnhaus der Familie zurückzuerkämpfen. Am alten Stammplatz zimmert er sich aus Brettern eine Bude zusammen und steigt wieder ein. Gibt es keine Würste, verkauft er Tomatensalat, Blutwurst oder Apfelmus. Plötzlich steht er inmitten der neugegründeten DDR – und einem neuen Gegner gegenüber, der staatlichen HO, die die private Gastronomie ablösen sollte. Doch Konnopkes Würste sind besser, und die Firma genießt bis zur Wende einen gewissen Schutz als Vorzeigeunternehmen.

Neue Idee aus dem Westen: Wurst ohne Darm

1955 steigt Waltraud („Ick war drei Jungs“) in den Betrieb ein, heiratet zwei Jahre später Kurt Ziervogel, und auch ihr Bruder Günter lernt Fleischer – das Familienunternehmen ist komplett. Aus West-Berlin bringt Günter kurz vor dem Mauerbau eine neue Herstellungsidee mit: Bratwurst ohne Darm. In Verbindung mit dem immer populäreren Ketchup werden die Imbisse – ein zweiter steht in Weißensee – zu Kultstätten, bekannt über die DDR hinaus. Das politische System lässt die Firma weitgehend in Ruhe, und als sich Ende der Siebziger in Prenzlauer Berg die aufmüpfige Künstlerszene etabliert, ist auch das gut fürs Wurst-Geschäft.

1983 wird aus der Bude ein funkelndes Stahl-Alu-Häuschen, 1986 folgt ein Anbau. In diesem Jahr stirbt auch der Firmengründer – mit dem Bewusstsein, dass das Erbe gesichert ist, denn auch seine Enkel Dagmar und Mario, einschlägig ausgebildet, arbeiten bereits mit.

Dann folgt die Wende und wirbelt das Geschäft völlig durcheinander. Viele Gäste verlangen plötzlich Pommes frites und Plastikpieker zur Wurst, wollen Mehrkornbrötchen, hinterher einen Kaffee und Zigaretten zum Mitnehmen. Und die Kundschaft wird vielsprachiger, lässt sich von Reiseführern leiten, in denen Konnopke eine wichtige Landmarke ist.

Die Familie eröffnet einen Ableger in der Romain-Rolland-Straße in Heinersdorf, übersteht die BSE-Krise und den Umbau von U-Bahn und Kreuzung, zieht in die neue Bude, und das Geschäft floriert weiter – nur eben nicht mehr mit Schichtarbeitern, sondern mit Touristen.

2014 stirbt Kurt Ziervogel, der Ableger wird verkauft, und der Zeitgeist setzt sich durch: Die vegane Currywurst kommt. „Läuft wie geschnitten Brot“, sagt Dagmar Konnopke. Die Aussichten für die nächsten 85 Jahre: bestens.

Dagmar Konnopke/Waltraud Ziervogel (Hrsg.): Konnopke’s Imbiß. Das Original in Berlin seit 1930. Berlin Story Verlag, 120 Seiten, zahlreiche Abbildungen, 16,95 Euro

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