zum Hauptinhalt

Berlin: Grenze der Wissenschaft

An einem Institut der Frankfurter Viadrina wird auch Hellsehen erforscht Jetzt soll die Einrichtung der Universität schließen.

Von Matthias Matern

Frankfurt (Oder) - Eigentlich hätte Professor Harald Walach das Ungemach kommen sehen können. Schließlich wird nicht das erste Mal an der Seriosität seiner Arbeit gezweifelt. „Ich kenne das schon, seit 20 Jahren bin ich immer wieder Ziel von Anfeindungen“, sagt der Leiter des Instituts für transkulturelle Gesundheitswissenschaften an der Europa-Universität Viadrina. Jetzt ist die Lage aber besonders ernst: Dem Institut droht das Aus. Wegen struktureller und qualitativer Bedenken hat die brandenburgische Hochschulkommission die Schließung des Instituts empfohlen. Zudem nähren Berichte über Masterarbeiten zu Hellseher-Experimenten Zweifel an der Einrichtung.

Konkret geht es um einen Versuch mit einer länglichen Aluminium-Röhre, einem sogenannten Kozyrev-Spiegel, den ein Berliner Student für seine Masterarbeit unter Walachs Aufsicht an der Viadrina durchgeführt hat. Dabei sollten Versuchspersonen Zahlen erraten, die zuvor von einer weiteren Person in einem Umschlag versteckt in den Zylinder gelegt worden waren. Per Kabel wurden die Probanten mit dem Gerät verbunden. „Ein Hellseh-Experiment“, schreibt Professor Walach selbst in einer Stellungnahme. Benannt ist die Versuchsanordnung nach dem russischen Physiker Nikolai Kozyrev, der die Zeit als eine Kraft oder Energieform bestimmt hat. In dem Aluzylinder kommt es laut Kozyrevs Theorie zur Verdichtung der Zeit, indem Energieströme, die im kosmischen Raum vorhanden sind, in der Röhre konzentriert werden. Abschirmung und menschliche Interaktion sollen dann einen Zugang zum Informationsfeld des Universums schaffen. Berichten zufolge wollen Personen, die sich längere Zeit in einer solchen Röhre aufgehalten haben, Ufos und Außerirdische gesehen haben. In Frankfurt jedenfalls hätten die Versuchspersonen von nichts dergleichen berichtet, versichert Walach.

Dennoch kommt auch die Kommission der Landesregierung zum Schluss, eine „Fortführung des Instituts für transkulturelle Gesundheitswissenschaften ist weder wie bisher als In-Institut noch als An-Institut zu befürworten“. Hauptkritik der Kommission ist, dass es keine angegliederte medizinische Forschung gebe und dem Lehrkörper medizinische Kenntnisse fehlen. Er kommentiere das nicht, sagt Walach. „Ich finde, wir machen hier eine wichtige Arbeit. Außer uns beschäftigt sich fast kein anderer mit Fragen an der Grenze der Wissenschaft.“ Doch nur dort, wo an den Grenzen geforscht werde, bewege sich auch etwas.

Gegründet wurde das Institut 2009. Seit 2010 steht Walach an dessen Spitze. Derzeit sind hier zwei Professoren, fünf Doktoranden, zwei wissenschaftliche Mitarbeiter und eine Sekretärin beschäftigt. 63 Ärzte und Apotheker lassen sich gerade weiterbilden. Laut Walach finanziert sich das Institut vor allem aus Studiengebühren. 10 000 Euro kostet die Weiterbildung. Seine eigene Professur hingegen werde von einer Firma aus Baden- Baden gesponsert, die homöopathische Präparate herstellt.

Zum Fortbestand des Instituts gebe es im Wissenschaftsministerium noch keine abschließende Position, heißt es dort auf Nachfrage. Und Viadrina-Präsident Gunter Pleuger ließ lediglich mitteilen, dass man die Empfehlung zur Schließung zur Kenntnis nehme. Matthias Matern

Zur Startseite