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Wer sich die Hansestadt Hamburg nach der Lektüre dieses fröhlichen Städtevergleichs gleich mal anschauen will, kann dies jetzt auch ganz gemütlich im neuen Interregio-Express (IRE) der seit dem 14. April zwischen Berlin und Hamburg fährt. Nach Haltestationen in Stendal, Salzwedel, Uelzen und Lüneburg erreicht er nach drei Stunden und 22 Minuten den Hamburger Hauptbahnhof.

© dpa

Hansestadt vs. Hauptstadt: Warum Hamburg besser ist als Berlin

Für das neue Hamburg-Portal unseres Kooperationspartners Zeit Online hat der Blogger Sven Dietrich aufgeschrieben, was für die Hansestadt und gegen Berlin spricht. Was meinen Sie? Diskutieren Sie mit!

Dieser Text richtet sich an alle, die aus irgendwelchen Gründen etwas mit Berlin und Hamburg zu tun haben. Achtung: Falls Sie zur Minderheit der Berlin-Hamburg-Pendler gehören, lesen Sie diesen Text bitte nicht. Sie werden sich wahrscheinlich aufregen. Immerhin wohnen Sie noch in Berlin, Sie sind noch nicht soweit, Sie brauchen mehr Zeit, die hier genannten Mängel auch tatsächlich als Makel anzusehen.

Sie lesen trotzdem weiter? Tja. So sind sie, die Berliner, wa? Ist Ihnen doch egal, sie machen das so, wie Sie wollen.

TOP 1: Mode

Glauben Sie mir, alle Berlin-Hamburg-Pendler kennen das, was jetzt kommt: Sie steigen in Hamburg underdressed in den Zug ein und in Berlin overdressed wieder aus. Es ist völlig egal, was Sie in Hamburg anziehen, Sie werden sich in nahezu jedem Fall in Berlin wohltuend von der Masse der kunstvoll-lässigen abheben.

Berlin ist in kleinen Teilen eine außergewöhnlich modische Stadt. In der Fläche hingegen sieht Berlin einfach schlimm aus. Das ist in Hamburg anders.

TOP 2: Der Hauptbahnhof

Ach Berlin. Du denkst, du hast einen Hauptbahnhof, aber leider ist es nur ein Kaufhaus mit Gleisanschluss. Ein Kaufhaus braucht Platz, braucht Verkaufsfläche, daher wurden im Berliner Hauptbahnhof die beiden Reisezentren und der S-Bahn-Schalter zusammengelegt, um Platz für neue Geschäfte zu schaffen. Außerdem ist der Hauptbahnhof umgeben von lächerlichem Nichts.

Die Deutsche Bahn sieht das anders, für sie ist der Berliner Hauptbahnhof der größte, beste, superlativistigste Bahnhof in ganz Deutschland. Eine erwähnenswerte, da besonders lustige Panne, die die Bahn verschweigt, ist, dass man das Dach nicht reinigen kann, da der Spezial-Dachfenstereinigungsroboter verschollen ist.

In Hamburg ist das anders. Der Hamburger Hauptbahnhof hat, zusammen mit München, die meisten Fahrgäste am Tag. Hier ist richtig viel los, wer in Hamburg durch den Bahnhof geht, kann Menschen sehen und nicht nur Rolltreppen, Luft und Aufzüge, wie in Berlin. In Hamburg ist es sogar möglich, mit der U-Bahn zum Hauptbahnhof zu fahren. Genauer gesagt kommt man mit allen Linien irgendwann zum Hauptbahnhof. In Berlin kommen Sie nur mit der S-Bahn zum Hauptbahnhof.

TOP 3: Höflichkeit

Die Unhöflichkeit, die ist, auch wenn sie es “Berliner Schnauze” nennen, nicht lustig. Wie oft wurden wundervolle Urlaubserholungen nach Ankunft in Berlin von unfassbar unhöflichen Taxifahrern zerstört? “Strand? Wat will ick denn da? Hier is ooch schön.” Faszinierend auch die komplexe Erlebniswelt in Berliner Cafés und dem dort gebotenen Service. Es tut mir jedes mal wieder leid, wenn ich die Bedienung vom Ins-Handy-starren ablenke und meistens lässt einen in Berlin das Personal genau das auch deutlich wissen.

Ein anderes Beispiel sind die Busfahrer. Ich garantiere Ihnen, wenn Sie von Berlin nach Hamburg ziehen und ein Busfahrer nur für Sie nochmals anhält, werden Sie das nicht vergessen, es ist ein Kulturschock. So etwas gibt es in Berlin nicht, dort müsste man mindestens einen Kinderwagen vor den Bus werfen, damit der Busfahrer anhält und möglicherweise noch jemanden mitnimmt.

In Hamburg werden Sie vom Busfahrer gegrüßt und der meint das nicht ironisch, er grüßt Sie einfach nur. In Hamburg gibt es freundliche Taxifahrer und besonders beeindrucken wird Sie, verehrte Berliner, dass man in Hamburg tatsächlich freundlich bedient wird. Egal ob in einem Café, einer Bar, dem Supermarkt oder eben einem Bus, in der Regel freut man sich hier über Kunden.

TOP 4: Hunde

Ich kann mir nicht erklären, warum es keinen Aufstand gegen die 55 Tonnen Hundekot gibt, die jeden Tag auf die Gehwege in Berlin klatschen. 55 Tonnen. Überlegen Sie mal, wie viel das ist. Anders in Hamburg, hier beschweren die Hunde die Landschaft mit nur rund 12 Tonnen pro Tag.

Ich würde mir niemals in der Stadt einen Hund anschaffen, kann aber verstehen, warum Menschen das machen. Ich verstehe allerdings nicht, warum Berlin in Hundekot versinkt und es sich daran nichts ändert. Möglicherweise, weil dort die Hundelobby so stark ist.

TOP 5: Öffentlicher Nahverkehr

In Hamburg gibt es einen funktionierenden öffentlichen Nahverkehr. Die Busse, Bahnen und Schiffe fahren größtenteils nach Fahrplan, sind nur in kurzen Stoßzeiten überfüllt und fallen so gut wie nie aus. Völlig anders in Berlin. Hier besteht die BVG größtenteils aus Erinnerungen an eine bessere Zeit. Die S-Bahn ist immer wieder mal kaputt und wird diesen Sommer aufgrund geplanter Bauarbeiten massiv eingeschränkt. Darauf können Sie sich schon jetzt freuen, denn das wird ein großes Desaster.

In Berlin werden dieses Jahr rund 330 Millionen Euro nur für Bauarbeiten an der S-Bahn investiert. Diesen 330 Millionen stehen etwa 20 Millionen in Hamburg gegenüber … In einigen Details liegt Berlin vorn – Nachtverkehr, Taktung – doch insgesamt funktioniert die Bahn in Hamburg besser als in Berlin.

Die nächsten fünf Gründe - und was trotz allem für Berlin spricht

TOP 6: In die Stadt fahren

In Berlin kann man nicht in die Stadt fahren. Dieses „in die Stadt fahren“ geht nur in Hamburg, denn Berlin ist keine Stadt. Berlin ist eine Ansammlung einzelner Dörfer und Berlin ist so ehrlich und gibt dies auch noch zu. Man nennt das allerdings nicht Dorf, sondern Kiez. Wenn Sie in Hamburg „in die Stadt fahren“ sagen, wissen die meisten Menschen, welcher Teil der Stadt damit gemeint ist. Es geht natürlich um die sogenannte Innenstadt, etwas, dass es in Berlin nicht gibt.

Klare Sache, Hamburg ist eine Stadt und hat eine Innenstadt. Da kommt Berlin nicht mit. Wenn Sie in Berlin dieses Thema ansprechen, müssen Sie mit Rückfragen rechnen. Zentrum-Ost? Oder doch Zentrum-West? Oder doch nur vorm Kaisers im Kiez? Es besteht jedes Mal Klärungsbedarf.

TOP 7: Flughafen

In Hamburg brauchen Sie mit der S-Bahn genau 24 Minuten vom Bahnhof zum Flughafen. In Berlin, wenn die Bahn denn fährt und Sie wissen, zu welchem Flughafen Sie müssen, dauert es länger. (Die schlimme Sache mit dem BER erwähne ich hier nicht, es wäre unfair.)

Schönefeld. Welch unfassbar hässliches Ding, mein Beileid allen Menschen, die Berlin zum ersten Mal über Schönefeld erreichen. Waren Sie in letzter Zeit mal im Flughafen? Da dürften sie als Berliner sofort weinen, so hässlich ist diese Visitenkarte.

TOP 8: Einkaufen

In Hamburg ist es, dank der erwähnten Innenstadt, erstaunlich komfortabel einzukaufen. Egal ob Sie durch überfüllte Passagen mit den aus deutschen Fußgängerzonen bekannten Geschäften schlendern wollen oder doch lieber Einzelkämpfer oder Läden mit Herzblut aufsuchen, es gibt in der Hamburger Innenstadt beides. Einkaufen in Hamburg ist im Vergleich zu Berlin ein Fest.

In Berlin rennen Sie sich die Hacken wund. Ewig weite Wege gesäumt von immer gleichen Läden, egal, ob Sie durch Charlottenburg oder Mitte wandern. Wobei es in Berlin Mitte zugegebenermaßen ganz wunderbare Läden gibt. Aber die Wege, meine Güte, ohne Wanderschuhe geht da gar nix, im wahrsten Sinne des Wortes. Wenn Sie dann noch die vielen Boutiquen im Prenzlauer Berg besuchen wollen, sind Sie gefühlt eine Woche unterwegs. In der Zeit schaffen andere Pilgerreisen.

Oder Sie fahren zum Einkaufen gleich nach Hamburg, denn in Hamburg ist shoppen selbst für Shoppingmuffel wie mich erträglich.

TOP 9: Der Kiez

Zwei Städte, zwei völlig unterschiedliche Kieze. Den Kiez in Berlin hatte ich schon, dort wohnen Sie in „Ihrem“ Kiez, bekanntlich dem einzig wahren Kiez der gesamten Stadt. Das ist für Sie ganz nett, nervt alle anderen aber auch.

In Hamburg gibt es zum Glück nur einen Kiez und der ist, wenn die Musicalbesucher und die Junggesellenabschiede durch sind, tatsächlich ganz nett. Man kann auf dem Kiez viel Spaß haben und damit beziehe ich mich natürlich nicht auf die Huren, sondern auf normales Nachtleben.

TOP 10: Die Wahrheit

Passend zum Kiez-Besuch. In Hamburg wurde der Hamburger (Rundstück warm), die Currywurst (Uwe Timms Novelle) und, auf Umwegen, sogar die Berliner Weiße erfunden. Berlin ist ebenfalls reich an Erfindungen, aber am Geburtsort des Hamburgers zu wohnen, das schmeckt gut, besonders während einer Nacht auf dem Kiez.

Kulinarisch kommt Berlin nicht mit. Kartoffeln mit Leinöl? Naja, dann doch lieber einen Hamburger. Unverständlich, dass die Hansestadt nicht mehr aus dieser Hamburger-Sache macht.

Was trotz allem doch für Berlin spricht

Falls Sie jetzt denken, diese ultimative Lobhudelei sei zu einseitig, dann gebe ich Ihnen Recht. Zwei ausgesprochen negative Dinge über Hamburg will ich aber nicht verschweigen: die Geschwindigkeit der Fußgänger und die Touristen in Hamburg.

Aus Gründen, die ich nicht verstehe, bewegen sich Fußgänger in Hamburg erheblich langsamer als in Berlin. Beobachten Sie das mal, gut zu sehen am Hauptbahnhof am ICE-Gleis nach Berlin. Die Berliner bewegen sich einfach schneller als die zumeist bummeligen Hanseaten. Ob das etwas mit den Touristen zu tun hat? Hamburg und Berlin sind jeweils gern besuchte Städte, allerdings mit völlig unterschiedlichem Publikum.

Ein nicht unerheblicher Teil der Hamburg-Besucher besteht aus Damen und Herren im reiferen Alter auf Musical-Kurzbesuch. Der klassische Zwei-Drei-Tage-Städtetrip. Anreise, Musical, Shoppen, Abreise. Erfahrungsgemäß kommen die Musicalbesucher aus Kleinstädten oder Dörfern vom Lande und dort dreht das Rad der Zeit langsamer als in der Stadt, was dann an der Geschwindigkeit sichtbar wird. In Hamburg wird dieser langsame Gang, dank der vorhandenen Innenstadt, einer Konzentration der Touristen und der überschaubaren Größe dann doch spürbar. In Berlin ist das Touristen-Publikum generell ein anderes und wenn dann doch einmal jemand langsam durch die Stadt läuft, fällt dies nicht weiter auf, es verläuft sich in der Fläche.

Versuchen Sie es mal mit Hamburg anstelle von Berlin. Sie werden es nicht bereuen. Ich zumindest bin sehr froh, dass ich inzwischen in Hamburg wohne.

Sven Dietrich arbeitet als Online Marketing Manager, schreibt auf pop64.de ein "Familie in Hamburg mit vereinzelter Berlin Nostalgie"-Blog, ist Experte für alles Moderne und war seit 1996 eigentlich nicht mehr offline. Der Text ist zuerst im neuen Hamburg-Portal von Zeit Online erschienen. Am Donnerstag erscheint auf der Berlin-Seite von Tagesspiegel.de eine Antwort in zehn Punkten aus Berliner Sicht. Aber was meinen Sie, liebe Leserinnen, liebe Leser? Hat Sven Dietrich Recht? Ist Hamburg wirklich so viel besser als Berlin? Sind Sie als Berliner jetzt kurz davor, nach Hamburg zu ziehen? Oder sind Sie da ganz anderer Ansicht? Kommentieren und diskutieren Sie mit. Bitte nutzen Sie dazu die leicht zu bedienende Kommentarfunktion etwas weiter unten auf dieser Seite.

Sven Dietrich

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