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Günther Jonitz steckt sich gerne mal eine an. Der Präsident der Berliner Ärztekammer steht derzeit wegen seiner Äußerungen zum Thema Rauchen in der Kritik.

© dpa

Wegen Nähe zur Tabakindustrie: Heftige Kritik am Ärztepräsidenten Jonitz

Der Präsident der Berliner Ärztekammer Günther Jonitz zog gegen "Gesundheitsapostel" zu Felde. Nun kritisieren Herz- und Lungenärzte seine Aussagen zum Nichtraucherschutz.

Gewiss wurden zu diesem Anlass gleich etliche der besten Havanna-Zigarren angezündet. Es gleicht ja schon einem Volltreffer, wenn die begeisterten Zigarrenraucher Berlins und der wohl umsatzstärkste Zigarreneinzelhändler der Stadt mit dem Präsidenten der Berliner Ärztekammer qualmend zusammensitzen wie einst der Soldatenkönig mit seinem Tabakskollegium – und der oberste Ärztevertreter in dieser Runde dann gegen „den überzogenen, unverhältnismäßigen Nichtraucherschutz“ in Berlin zu Felde zieht. So geschehen bei einem Klubabend im Laden von „Zigarren-Herzog“ am Ludwigkirchplatz in Wilmersdorf.

Ärztekammerpräsident Günther Jonitz, selbst bekennender Zigarrenraucher, war vom Geschäftsinhaber Maximilian Herzog eingeladen. Er sollte über die Grenzen des Nichtraucherschutzes reden. Wie berichtet, stellte er dabei auch das Rauchverbot in Berlins Lokalen infrage. Seither fordert Berlins größte Antiraucherinitiative, das „Forum Rauchfrei“, seinen Rücktritt. Aber auch zwischen Jonitz und führenden Herz- und Lungenspezialisten herrscht dicke Luft. Professor Wulf Pankow, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin und Pulmologie am Vivantes Klinikum Neukölln, geht ihn heftig an. „Jonitz plappert Argumente der Tabakindustrie nach“, sagt er. Die Prävention im öffentlichen Raum sei das wirkungsvollste Mittel, um die Gefahren des Rauchens zu vermindern. Pankow: „Allein die Herzinfarktquote geht nach Rauchverboten dramatisch zurück.“ Der Ärztekammerpräsident hatte dagegen argumentiert, durch die Verbote würde wieder häufiger Zuhause gequalmt, nun leide die Familie erneut mehr unterm Passivrauchen. Es wäre deshalb sinnvoller gewesen, den Wirten statt des Rauchverbots bessere Abluftanlagen zu verordnen. Aus Sicht von Professor Pankow ist das „Quatsch und ein nachweislich falsches Argument“ der Zigarettenlobby.

Jonitz’ umstrittene Äußerungen im internen Zirkel der Zigarrenqualmer waren bekanntgeworden, nachdem sie der Gastgeber auf der Website seines Ladens veröffentlicht hatte. „Allein die Dosis macht, dass ein Gift ein Gift ist“, zitierte er den antiken Arzt Paracelsus, dann zog er gegen die „Gesundheitsapostel“ zu Felde und offenbar demonstrativ an seiner Zigarre. Er sei als Kind unter Rauchern aufgewachsen und dennoch nicht krank geworden, sagte Jonitz – und forderte schließlich Raucherzimmer in Berlins Krankenhäusern. Gemäß dem Nichtraucherschutzgesetz ist Qualmen dort strikt untersagt. Nur draußen gibt es bei Vivantes sogenannte „Raucherinseln“.

Für Jonitz eine Zumutung. Wer süchtig nach der Kippe sei, müsse sie im Winter „vor Kälte zitternd“ anzünden. „Auch Raucher haben ein Recht auf Menschenwürde“, sagte der Ärztekammerpräsident am Donnerstag im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Zwang und Stigmatisierung führten nicht zum Erfolg. Die ganze Antirauchkampagne sei zu sehr von einer „negativen Grundhaltung und autoritären Denkweise“ geprägt. Stattdessen solle man sich Gedanken machen, „warum die Leute so viel rauchen“ und Entwöhnungsangebote entsprechend verbessern. Die meisten Aktionen gegen Qualmen gingen im Übrigen von der gesellschaftlichen Mittelschicht aus, sie würden aber „vorrangig die Unterschichten treffen“.

Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke) findet den Jonitz-Auftritt „befremdend“. Der Ärztepräsident schade allen Initiativen, „die engagiert auf die Gefahren des Rauchens aufmerksam machen“. Dieser Vorwurf gibt Jonitz zu denken. „Wenn ich tatsächlich Irritationen ausgelöst habe“, sagt er, „dann tut mir dies leid.“

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