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Berlin: Helfen in Hatun Sürücüs Namen

Vor zwei Jahren wurde die Deutschtürkin vom Bruder ermordet. Ein neuer Verein will bedrohten Musliminnen zur Seite stehen

Gerade hat sich der Verein begründet – und schon den ersten jungen Deutschtürkinnen aus Lebensgefahr geholfen. „Die erste Berlinerin, die sich an uns wandte, war von ihrem Ex-Mann schwer misshandelt worden, sie wollte aus der gemeinsamen Wohnung fliehen, verdient aber kein eigenes Geld“, sagt Andreas Becker (Name geändert), Gründer des Vereins „Hatun und Can – Frauennothilfe e.V.“.

Nach einem Tagesspiegel-Bericht vor wenigen Wochen waren erste Spenden auf das Vereinskonto überwiesen worden, damit konnten jetzt unbürokratisch die Kaution und die erste Miete für Mutter und Tochter übernommen werden – sie zogen anonym in einen anderen Bezirk um. Zudem hat jetzt eine 21-jährige kurdischstämmige Verkäuferin beim Verein um Hilfe ersucht – sie flüchtete wegen ihrer Familienverhältnisse aus einem anderen Bundesland nach Berlin und ließ aus Angst ihren Namen ändern.

Beide Frauen stammen aus extrem traditionell lebenden Familien – so wie die Deutschtürkin Hatun Sürücü, die sich aus den Fesseln des Familienzwanges befreit hatte und deshalb im Februar 2005 von ihrem jüngsten Bruder erschossen wurde. Um betroffenen Frauen in Zwangsehen und anderen Notlagen ein solches Schicksal zu ersparen, gründete sich der Verein am zweiten Sürücü-Todestag. Wie notwendig diese Intiative ist, zeigt auch eine jüngst vorgestellte Studie der Landeskommission „Berlin gegen Gewalt“. Danach werden Migrantinnen besonders häufig Opfer häuslicher Gewalt. Im Jahr 2006 ereigneten sich 30 Prozent aller in Berlin registrierten Fälle in Migrantenfamilien.

„Frauen in Bedrohungssituationen steht zwar von den Ämtern Unterstützung zu, aber es dauert lange, bis die bürokratischen Vorgänge entschieden sind – zu lange“, sagt Becker. Er ist im Verein der Mann für die oft schwierigen Verhandlungen mit den Behörden. Darüber hinaus engagieren sich bei „Hatun e.V.“ mehrere junge Deutschtürkinnen – sie sind über ein Notfallhandy zu erreichen. Die Rufnummern werden aus Sicherheitsgründen nicht öffentlich gemacht. Sie sind bei Hilfsorganisationen wie beim deutsch-türkischen Frauenverein Papatya bekannt und auch über die Vereins-E-Mail erhältlich. „Die erste Frau, die uns ansprach, war grün und blau geschlagen“, sagt Becker. Sie habe ihre intimsten Probleme einer Frau aus dem Verein anvertrauen können. Auch dies ist ein Prinzip der Nothilfe – der vertrauliche Austausch mit Frauen gleicher Herkunft.

Schon gebe es weitere Hilfeersuchen, sagt Becker, doch der Verein kann den Einsatz nur leisten, wenn weitere Spenden aufs Konto fließen. Gesucht werden zudem Wohnungsbaugesellschaften, die Wohnungen gratis oder günstig zur Verfügung stellen. „Ich habe auch Möbelhäuser angeschrieben, ob sie uns Möbel oder Teppichware mit leichten Mängeln abtreten können“, sagt Becker. Doch auch hier fehlt bislang die ersehnte Unterstützung. Dafür steht jetzt ein Treffen mit dem Türkischen Bund an. Den türkischen Verbänden wurde wiederholt vorgeworfen, sie würden sich nicht genügend für Frauen in Not engagieren.

Der Hilfsverein „Hatun und Can – Frauennothilfe e. V.“ für bedrohte Frauen aller Nationalitäten ist nur über E-Mail zu erreichen: hatunundcan-ev@hotmail.de.

Annette Kögel

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