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Wo geht's denn hier nach Wolfsburg? Seit der Flut müssen viele Pendler sehr viel Extra-Zeit einplanen.

© dpa

Interview mit einem Berlin-Wolfsburg-Pendler: „Die Kaserne kommt nicht in Frage“

Der Zug fährt um 5.48 Uhr los, und es gibt nicht mal Gratis-Kaffee: Ein Berlin-Wolfsburg-Pendler spricht über die Verzweiflung aufgrund der Flutmisere, Fehler der Bahn - und die Frage, wo der Stammtisch der Pendler eigentlich tagt.

Schön, dass wir miteinander sprechen. Aber warum dürfen wir eigentlich Ihren Namen nicht schreiben?

Wir Pendler sind hier in Wolfsburg nicht bei allen gern gesehen. Die Stadt tut viel dafür, Bürger anzulocken – aber es zieht einfach keiner her. Stattdessen pendeln täglich Zehntausende nach Wolfsburg, viele zum Beispiel auch aus Gifhorn und Braunschweig.

Die haben es ja wenigstens nicht so weit. Viele Berliner hingegen müssen seit der Flut ja wirklich früh aufstehen, um pünktlich bei der Arbeit zu sein.

Allerdings. Ein Zug fährt um drei Uhr in der Früh, um den bin ich bisher drumherumgekommen. Aber heute Früh bin ich um 5.48 Uhr losgefahren, da ist die Nacht schon ganz schön kurz. Schließlich fahren die Züge im Moment nicht rund eine Stunde, sondern zwei bis drei. Heute Morgen fragte ein Kollege hier im Betrieb einen anderen: „Du siehst ja müde aus. Durchgezecht?“ Die Antwort war: „Nee, Bahn gefahren.“

Haben Sie denn schon Ihren Schlafsack aus dem Schrank gekramt, um es sich in der Kaserne gemütlich zu machen, die nun als Notunterkunft eingerichtet wird?

Nein, der Schlafsack bleibt, wo er ist. Für manche ist das sicher eine Option. Aber zum Beispiel für alle, die in Berlin eine Familie haben, kommt das nicht in Frage. Die wollen abends wieder zurück.

Bietet die Bahn Ihnen und Ihren Mitfahrern denn wenigstens Gratis-Kaffee an, damit Sie morgens überhaupt wach werden?

Leider nicht. Nur das Wasser gibt’s umsonst, wenn mal wieder die Klimaanlage ausfällt – so wie gestern. Aber diejenigen, die mit einer BahnCard 100 unterwegs sind, bekommen jetzt immerhin schon mal einen Gratis-Monat. Und über andere Kulanzleistungen verhandeln wir im Moment.

Wie groß ist der Unmut unter Ihren Kollegen?

Wir sind schon verzweifelt. Fürs Hochwasser kann die Bahn ja auch nichts. Aber sie informiert uns einfach zu schlecht, lange Zeit wusste man abends nicht, wann am nächsten Morgen ein Zug fährt. Man merkt auch, dass die Bahn seit Jahren am Limit fährt und zum Beispiel kaum Reservezüge hat, die sie auf die Schnelle einsetzen könnte. Die Kommunikation von Seiten der Bahn wird jetzt hoffentlich besser, aber wir haben uns auch auf einer eigenen Internet-Plattform organisiert, um uns gegenseitig zu informieren. Mehr als 800 Berlin-Wolfsburg-Pendler machen da schon mit.

Entsteht da ein neues Zusammengehörigkeitsgefühl?

Ja, wir ertragen die Situation gemeinsam mit Humor. Jetzt haben wir auch einen Stammtisch gegründet.

Und wo tagt der: in Wolfsburg, in Berlin oder im ICE?

Natürlich im Bordrestaurant. Da haben wir schließlich am meisten Zeit.

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