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Berlin: Kostümfest endete in einer Katastrophe

Vor 60 Jahren brannte ein Tanzlokal in Spandau 81 Menschen fanden im „Karlslust“ den Tod

Kommt der Spandauer Michael Jansen am Grundstück Hakenfelder Straße 8 vorbei, muss er oft an seinen älteren Bruder denken. An das, was ihm am 8. Februar 1947 erspart blieb. Aber Horst war glücklicherweise nicht in Berlin. Sonst wäre er tanzen gegangen, ins „Karlslust“. Dann hätte er den Abend vielleicht nicht überlebt. Und wenn – möglicherweise schwer verletzt, wie 150 andere Besucher.

Das Feuer im Vergnügungs- und Ausflugslokal „Karlslust“, heute vor 60 Jahren, gilt als die größte Brandkatastophe der Berliner Nachkriegszeit, 81 Menschen kamen ums Leben. Dort, wo das Lokal stand, wurde Ende der sechziger Jahre ein zehnstöckiges Wohnhaus errichtet. Mit einer Tiefgarage, einem steinernen Platz darüber. Eine stille Gegend.

Es ist sehr laut im „Karlslust“ am Abend, als rund 800 Menschen tanzen und ein Kostümfest feiern, britische Soldaten sind dabei, „Sieger und Besiegte“ wollen als Freunde zusammensein, in der zweistöckigen Gastwirtschaft mit Tanzsaal und Kegelbahn.

Draußen sind es minus 25 Grad. Die Kanonenöfen bollern. Familie Löbel, der das Lokal gehört, heizt kräftig ein. Drei Stunden dauert das Fest, als gegen23 Uhr die Musik abbricht, erste Hilfeschreie zu hören sind. Die Decke steht in Flammen. Schon stürzen Teile des brennenden Daches herunter. Panik entsteht.

Die Gäste rennen, treten sich nieder, viele brechen wegen des starken Qualms ohnmächtig zusammen. Statt zum Ausgang laufen Scharen zur Garderobe, aus Angst um die Jacken und Mäntel.

Die Fenster eignen sich nicht zur Flucht. Sie sind vergittert. Das Lokal war während des Krieges Gefangenenlager. Die Flucht in den Keller hilft auch nicht. Dort findet sich kein Ausgang. Das Feuer breitet sich schnell aus. Die Feuerwehr kommt spät, ein einheitlicher Notruf fehlt. Die Motoren müssen bei der Kälte lange warmlaufen. Hinzu kommt, dass die Einsatzwagen höchstens 40 km/h fahren dürfen und alliierte Fahrzeuge Vorfahrtsrecht haben. Auch viele Brücken nach Spandau sind zerstört. Sechs Löschzüge rücken an, unterstützt von englischen Rettungsmannschaften und freiwilligen Helfern. Ein einziger Hydrant funktioniert. Es ist so kalt, dass die Schläuche am Boden festfrieren könnten und über Gartenstühle gelegt werden müssen.

Massen von verstümmelten Leichen werden entdeckt. Das Gebäude ist völlig niedergebrannt. Noch Tage nach der Katastrophe ist die Unglücksstelle von der Polizei und britischen Streitkräften abgesperrt. Überall liegen versenkte Kleidungsstücke herum, in einem Schuh steckt ein verkohlter Frauenfuß. Bei der Spandauer Kriminalpolizei sind 108 Vermisstenmeldungen eingegangen. Von den Leichen können zunächst nur drei identifiziert werden.

Die Feuerwehr ermittelt, dass sich ein Trägerbalken der Dachkonstruktion an einem defekten Ofen entzündet, dann die Sperrholzplatten des Dachstuhls in Brand gesetzt hat – gefolgt von einer Staubexplosion mit Stichflamme.

Bei Älteren ist das Unglück unvergessen. In der Feuerwehrstatistik ist es bis heute die Brandkatastrophe mit den meisten Todesopfern.

Christian van Lessen

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