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Thomas Wüppesahl: Kurzer Weg in die Freiheit

Er sitzt wegen Überfalls auf einen Geldboten. Jetzt soll der Ex-Abgeordnete Wüppesahl bald freikommen

Die Berliner Justiz macht kurzen Prozess – und lässt Thomas Wüppesahl frei. Der frühere Bundestagsabgeordnete und Kriminalbeamte ist bald Freigänger und soll nach Verbüßung von zwei Dritteln seiner Strafe im Oktober voraussichtlich freikommen. Erst Ende Mai war er aus der schwer gesicherten Anstalt Tegel in den offenen Vollzug nach Düppel verlegt worden, „das geht alles verblüffend schnell in Berlin“, sagte Wüppesahl. Der bald 52-Jährige war im Oktober 2004 in Hamburg wegen der „Verabredung zu einem Raubmord“ verhaftet und zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt worden. „Wahnsinn oder Verschwörung?“ hatte die „Zeit“ beim Prozess getitelt.

Gemeint war die Anklage: Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft wollte Wüppesahl in Berlin einen Geldboten per Genickschuss töten und dann eine Hand des Toten mit einem Fleischerbeil abhacken, um an den ans Gelenk angeketteten Geldkoffer zu kommen. 400 000 Euro sollte die Beute schwer sein. Als ihm sein „Komplize“ das Hackebeil übergab, klickten die Handschellen – der Komplize war selbst Polizist und hatte seinen alten Freund und Trauzeugen bei den Behörden verpfiffen. Eine völlig durchsichtige Intrige, kritisierten Freunde damals. Denn als Mitbegründer der Bundesarbeitsgemeinschaft „Kritische Polizisten“ hatte Wüppesahl seine Kollegen mit Anzeigen überzogen – und sich damit keine Freunde in Hamburger Behörden gemacht. Die Richter glaubten im Juli 2005 dennoch der Anklage – und verurteilten Wüppesahl zu viereinhalb Jahren Haft. Als er Ende 2006 von Mitgefangenen bedroht wurde, schob ihn Hamburg in einer Nacht-und-Nebel-Aktion nach Berlin ab.

Zunächst war Wüppesahl darüber sauer, jetzt freut er sich, dass die Berliner Justiz ihn in so schnellen Schritten aus dem Schwerverbrecherflügel in die Freiheit entlässt. „Ein kleines Märchen in diesem ganzen Albtraum“, nennt er das und dankt der „sozialdemokratischen Berliner Behörde“. Auch der grüne Rechtsexperte Benedikt Lux ist verblüfft darüber, mit welchem Tempo Wüppesahl Vollzugslockerungen zugestanden werden.

Nun hat er bei einem Pfarrer in Dahlem eine kleine Wohnung gemietet; eine der beiden Voraussetzungen, um Freigänger zu werden. Nun fehle nur noch eine Arbeitsstelle, sagt Wüppesahl beim Gespräch in einem Schöneberger Café. Dass die Justiz ihn hier so freundlich behandelt, liegt nicht etwa daran, dass er hier Ruhe gegeben hätte. Eine Fülle von Briefen, Beschwerden und Strafanzeigen beschäftigte die Justiz bis hin zur Senatorin. Gerne erzählt Thomas Wüppesahl seinen letzten Coup: Vor ein paar Tagen nahm ein über eifriger Justizangestellter ihm seinen Ausweis als ehemaliger Bundestagsabgeordneter ab. Das war natürlich rechtswidrig, Tage später hatte er den kleinen, von Wolfgang Thierse unterschriebenen Ausweis zurück. Obwohl Wüppesahl nur eine Wahlperiode im Bundestag saß, ist er auch dort unvergessen. Denn nachdem ihn die Grünen rausgeworfen hatten, erstritt er vor dem Bundesverfassungsgericht mehr Rechte für fraktionslose Abgeordnete – das „Wüppesahl-Urteil“. 20 Jahre nach der Trennung von den Grünen hat er mit der Partei nun etwas Frieden geschlossen. Auf Einladung des Abgeordneten Lux war er im Mai im Berliner Abgeordnetenhaus Gast.

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