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Exklusiv

Hoffnung für die Liberalen: Sarrazin kandidiert für Berliner FDP

Mit einem spektakulären Befreiungsschlag will die Berliner FDP aus dem Umfragetief herauskommen: Auf dem kommenden Landesparteitag soll Thilo Sarrazin als Spitzenkandidat für die Wahl im September nominiert werden.

Der Buchautor ("Deutschland schafft sich ab"), Ex-Bundesbankvorstand und frühere Berliner Finanzsenator gilt wegen seiner Kritik an Sozialleistungsempfängern bei den leistungsorientierten Liberalen als Idealbesetzung. Während die FDP in den Meinungsumfragen zuletzt bei drei Prozent lag, hält der Landesvorstand mit Sarrazin ein zweistelliges Ergebnis für realistisch. "Er hat in einem Jahr mehr Bücher verkauft, als die Mitglieder der SPD lesen können", sagte ein Spitzenliberaler. Mit dem früheren Senator gewinne die FDP nicht nur einen exzellenten Finanzexperten, sondern auch einen rhetorisch brillanten Sympathieträger.

Sarrazin schließe die offene Flanke, die der Wechsel des früheren Berliner Fraktionschefs Martin Lindner 2009 in den Bundestag hinterlassen habe. Lindner ist frauenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Eine baldige Rückkehr in die Landespolitik schließt er aus: Solange weibliche Beschäftigte in Deutschland durchschnittlich 23 Prozent weniger verdienen als ihre Kollegen, werde er im Bundestag gebraucht, ließ er über seine Sekretärin ausrichten.

Unklar ist, was aus Christoph Meyer wird, der zurzeit sowohl den Landesverband als auch die Abgeordnetenhausfraktion der FDP führt. Der 35-jährige Jurist gilt als leidenschaftlicher Anwalt der liberalen Sache, ist aber selbst bei der rund 140-köpfigen Berliner Parteibasis kaum bekannt. Im Landesvorstand wird Meyer für den wichtigen Posten als bildungspolitischer Sprecher gehandelt. "Dieses Ressort kann Thilo Sarrazin nach dem Ärger um den Unterrichtsstil seiner Frau ja leider nicht selbst übernehmen", sagte ein Vertrauter von Meyer.

Zurzeit hindert allein eine Formalie Sarrazin daran, offiziell für die Liberalen zu kandidieren: Er ist noch Mitglied der SPD. "Eigentlich wollte ich erst austreten, wenn dieses absurde Parteiausschlussverfahren endgültig gescheitert ist", sagte der 66-Jährige auf Nachfrage. "Wenn Sie mein Buch gelesen hätten, wüssten Sie das auch." Angesichts der neuen Chance bei der FDP wolle er die SPD nächste Woche verlassen.

Die Liberalen könnten in Berlin den bundesweiten Niedergang ihrer Partei stoppen. Entsprechend groß ist die Unterstützung der Bundes-FDP. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle bestätigte am Rande einer Weinverkostung beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), dass die Parteiführung die Berliner Pläne gutheiße. Spekulationen, wonach die Entscheidung nur taktisch begründet sei und Sarrazin die FDP nach der Wahl wieder verlassen könnte, wies er zurück.

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