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Die beiden Berliner Stadtbären Schnute und Maxi

© dpa

Lebende Wappentiere: Lasst die Bären in Berlin!

Es gehe den Tieren nicht gut hier am Köllnischen Park, sagen befreiungsbewegte Mitgefühlspropagandisten. Deshalb sollen Schnute und Maxi raus aus der Stadt. Welch ein Humbug! So darf man mit älteren Damen nicht umgehen.

Die Gentrifizierung in Berlin nimmt immer groteskere Züge an. Jetzt sollen zwei Nachbarn von mir abgeschoben werden, Schnute und Maxi, irgendwohin Richtung Norden, Uckermark, Meckpomm, in die Wildnis, zu den Nazis, was weiß ich. Angeblich geht’s ihnen nicht gut genug bei uns in der Ecke, heißt es einerseits, und anderseits sagt der Bezirk, dass er sich die Pflege der schon etwas älteren Damen nicht länger leisten kann.

Irgendwie passt das alles nicht zusammen. Die beiden – Mutter und Tochter – haben ihr ganzes Leben hier verbracht, immer dieselbe Adresse: Köllnischer Park, Rungestraße Ecke Wassergasse, gleich am Spielplatz hinter dem Märkischen Museum. Schön grün ist es hier, auch ruhig, und mal ehrlich: 480 Quadratmeter in Mitte, mit Doppelterrasse und großem Pool, dazu Vollpension und zwei nette Pflegerinnen – wie soll es einem denn da nicht gut gehen? Ja, schon, es wird hin und wieder eingebrochen in die Wohnungen rundherum, ab und zu klaut einer was aus einem Auto, ein bisschen Beschaffungskriminalität eben, wo gibt’s das nicht? Aber bei Schnute und Maxi ist noch nie was passiert, keine Strauchdiebe, kein Futterneid, die älteren Damen brauchen vor nichts und niemandem Angst zu haben, nicht mal vor anderen älteren Damen.

Und das ist noch längst nicht alles. Andere haben, so hoch betagt, meist mehr als nur ein paar Zipperlein, ohne Arthrose kommt jedenfalls kaum einer glimpflich davon – außer Schnute und Maxi, die haben überhaupt nichts dergleichen. Und wie kommt’s? Von der Fußbodenheizung, echt, kein Witz, die ist nämlich auch noch drin im Rundum-Sorglos-Paket. Wo gibt’s denn das heute sonst noch? Jedenfalls nicht dort oben, im Wilden Osten der Republik.

„Da, schau, die sehen doch wirklich sooo traurig aus!“

Lorenz Maroldt, Chefredakteur.
Lorenz Maroldt, Chefredakteur.

© Kai-Uwe Heinrich

Aber nein, angeblich sei das alles eine Quälerei, schimpfen die einen, und der Bürgermeister von Mitte jammert, Schnute und Maxi weiter durchzufüttern, und die Pflegerinnen noch dazu, dafür sei jetzt kein Geld mehr da. Und deshalb sollen die beiden Bärinnen jetzt auf ihre alten Tage, auf ihre letzten Jahre doch tatsächlich noch einmal umgepflanzt werden, sich irgendwo eingewöhnen, wo sie nichts und niemanden kennen, kein Schwein und keinen Baum, wo ihnen Sitten und Gebräuche ganz fremd sind, fernab von ihren Freunden, die sie seit Jahren ganz treu besuchen, die für sie sammeln, die sie, wie ich, morgens auf dem Arbeitsweg grüßen, die ihnen, wie meine Tochter Emma, nachmittags vom Spielplatz her winken. Und das soll ein besseres Leben sein?

Zugegeben, es ist ein bisschen schöngezeichnet, wer möchte schon wirklich Bär sein in dieser Welt. Aber die Fakten, die stimmen, alle, auch die mit der Fußbodenheizung. Und die Gentrifizierer, die Schnute und Maxi aus den unterschiedlichsten Gründen weghaben wollen aus unserer Stadt, die argumentieren dermaßen plump und trampeltierartig, dass es jetzt endlich mal Zeit wird, dieses hyperventilierende Rumgegeifer, diesen tiermitgefühligen Betroffenheitskult, die peinlichen Propagandapetitonen, die rührseligen Wackelvideos mit Amateurkommentar („Da, schau, die sehen doch wirklich sooo traurig aus!“), diese Massendemos mit fünf bärchenverkleideten, befreiungsbewegten Showaktivisten allesamt einzuhegen ins wirkliche Leben.

Winzig soll der Zwinger sein? Er entspricht den gültigen Vorschriften. Befreit sollen sie werden? In der Tierschützerlogik heißt das doch nur: in einen anderen Knast. Herumtollen sollen sie, springen und planschen? Sagt das doch mal Helmut Schmidt, der ist in einem vergleichbaren Lebensabschnitt. Sie sind zu allein? Das mit den Männergeschichten ist doch eh längst vorbei. Depressiv sehen sie aus? Der einzig fröhlich aussehende Bär, den es gibt auf der Welt, heißt Balu. Im Bezirksetat sind 60.000 Euro nicht drin? Dann nehmt halt Wegezoll von der Trabi-Safari, von den Bierbikes und Kutschen und schüttelt den Rest, der noch fehlt für die verbleibenden ein, zwei, drei Jahre, aus der verschnarchten Verwaltung heraus.

Lasst sie da, wo sie sind, sie kennen es doch nicht anders. Es ist ihr Lebensabend. Und nach ihnen, das ist längst klar, kommt hier sowieso kein Bär mehr hin.

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