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Mit Winnetou gegen Bomben: Missionar mit Vorstrafe: Rüdiger Schaper stellt seine Karl-May-Biografie vor

Generationen von Lesern haben Karl Mays Bücher verschlungen, die Romane verkauften sich sensationelle 200 Millionen Mal. Rüdiger Schapers Biographie zeigt: Der Schöpfer von Winnetou und Old Shatterhand hat selbst ein abenteuerliches Leben geführt.

Acht Jahre saß er im Gefängnis, im Alter zwischen zwanzig und dreißig. Später schrieb Karl May mit Vorliebe dicke Bücher, aus einem einfachen Grund: Als Gefangener durfte er sich in der Woche nur ein Buch ausleihen – von dicken Schmökern hat man da einfach mehr.

Viel Neues lernen die Zuschauer an diesem Abend über Karl May, den Winnetou-Erfinder, dessen Todestag sich im März 2012 zum hundertsten Mal jährt. Rüdiger Schaper, Feuilletonchef des Tagesspiegels, stellt sein Buch „Karl May – Untertan, Hochstapler, Übermensch“ (Siedler-Verlag) vor, eine Biografie, die sich auch mit den unbekannten Seiten des Abenteuerschriftstellers befasst. Gut gelaunt unterhalten sich Rüdiger Schaper und Stephan-Andreas Casdorff, Chefredakteur des Tagesspiegels und an diesem Abend Moderator, im  ausverkauften großen Veranstaltungssaal im Tagesspiegel-Gebäude.

Karl May-Lektüre im Luftschutzkeller

In vierzig Sprachen wurde Karl May übersetzt, seine Werke haben sich bisher 200 Millionen Mal verkauft. Das spricht zwar für den immensen Erfolg, aber ist das schon ein Kriterium für literarische Qualität? „Karl May hat es geschafft, mit seinen Romanen Menschen sämtlicher Schichten und Altersklassen für sich zu gewinnen und für Literatur zu begeistern. Ja, dafür muss man wohl ein bisschen schreiben können“,  urteilt Feuilleton-Chef Schaper. Ein Zuhörer berichtet von seinem persönlichen Karl May-Leseerlebnis: In den zwei letzten Kriegsjahren verbrachte er als 10-Jähriger einen Großteil seiner Zeit im Luftschutzkeller mit der Lektüre von Karl May. Wem es gelingt, Gefahr und fallende Bomben vergessen zu lassen, der muss über ein gewisses literarisches Können verfügen.

Der Zauberer von Radebeul

Ein guter Schriftsteller ja, aber war er auch ein guter Mensch, will Moderator Casdorff wissen, der sich nach der Pause kurzerhand die Indianerschmuck-Deko auf den Kopf gesetzt hat. Verurteilt wurde der im sächsischen Radebeul lebende Karl May wegen Bagatelldelikten, einige Male ist ihm übel mitgespielt worden. Aus dem Lehrerseminar fliegt er, weil er angeblich sechs Kerzen gestohlen hat. Vielleicht haben ihm auch nur zwei Mitschüler einen Streich gespielt? Die Lehrerlaufbahn ist jedenfalls beendet, bevor sie richtig beginnt. Das Missionarische lebt Karl May fortan in seinen Romanen aus, in denen müssen sich die Gefangenen noch am Marterpfahl Moralpredigten anhören. „Karl May war ein Missionar mit dem Wort“, meint Schaper, „und darin dem Zauberer von Oz gar nicht so unähnlich: Er weiß mit Worten zu verzaubern, und er gibt den Menschen, wonach sie sich sehnen.“

Karl May ist nicht nur ein Jugendautor

Einige Mythen ranken sich um Karl May: Ob er wirklich schwul und als Kind vorübergehend blind war, kann nicht mit Sicherheit beantwortet werden. Rüdiger Schaper mahnt zur Vorsicht, wenn es um autobiografische Angaben geht: Karl May hat sich selbst zur Legende stilisiert.

Ein Mythos, ein großer Schriftsteller, der aber viel zu oft als Jugend- und Abenteuerromancier abgestempelt wird. Das wird dem Werk Karl Mays nicht gerecht. Mit seiner Biografie will Schaper ihm Gerechtigkeit widerfahren lassen: „Er war immer auf der Seite des Fortschritts, traute sich, gegen die öffentliche Meinung anzuschreiben, war witzig und schlagfertig.“ Erst allmählich, hundert Jahre nach seinem Tod, räumt ihm die deutsche Kultur- und Literaturgeschichte den Platz ein, den er verdient. Zum Schluss verrät Rüdiger Schaper ein brandheißes Geheimnis: Winnetou wird in Amerika neu verfilmt, Drehbeginn im Sommer. Vom Straftäter in die Literaturgeschichte und nach Hollywood – hundert Jahre nach seinem Tod hat Karl May es wirklich geschafft.

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