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Am Samstagabend packen die protestierenden Flüchtlinge und ihre Unterstützer zusammen. Der Hungerstreik wurde abgebrochen.

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Update

Protest am Brandenburger Tor: Flüchtlinge brechen Hungerstreik ab

Nach Gesprächen mit der Senatorin Dilek Kolat beenden die Asylsuchende den Hungerstreik und verlassen den Pariser Platz. Die SPD will das Thema in Koalitionsverhandlungen ansprechen.

Von Sandra Dassler

Der Hungerstreik der Flüchtlinge am Brandenburger Tor ist vorerst beendet. Am Samstagabend einigten sich Vertreter von Bund und Land mit den Asylsuchenden, die seit elf Tagen keine Nahrung und seit fünf Tagen kein Wasser mehr zu sich genommen hatten. Etwa zwei Dutzend Flüchtlinge wurden in einer Kirchengemeinde untergebracht, einer befindet sich noch im Krankenhaus.

Nach Informationen des Tagesspiegels geschah die Einigung vor allem auf Initiative des migrationspolitischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion, Rüdiger Veit, und von Berlins Senatorin für Arbeit, Integration und Frauen, Dilek Kolat (SPD). Sie hatten ab Freitagabend gemeinsam mit dem Vizepräsidenten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, Michael Griesbeck, mit den Hungerstreikenden gesprochen.

Sichtlich erleichtert verkündete die Integrationssenatorin Kolat am Abend vor dem Brandenburger Tor: „Die Flüchtlinge setzen ihren Hungerstreik vorerst bis Mitte Januar aus. Sie halten aber ihre politischen Forderungen aufrecht. Ich freue mich sehr, dass wir damit die immer lebensgefährlichere Situation einiger Menschen hier beenden konnten.“

Es sei ein Kompromiss, sagte Veit dem Tagesspiegel. Er und Kolat hätten den Flüchtlingen zugesichert, dass die SPD ihre Forderungen in die wahrscheinlich bevorstehenden Koalitionsverhandlungen mit der CDU/CSU einbringen werde. Das betreffe unter anderem die Forderung der Flüchtlinge nach Zugang zum Arbeitsmarkt und zu Sprachkursen, sagte Veit. „Es geht ihnen aber vor allem um die Abschaffung der Residenzpflicht, das Asylbewerberleistungsgesetz und eine angemessene Bleiberechtsregelung für Flüchtlinge, die nicht anerkannt werden, aber sich schon lange in Deutschland aufhalten.“ Große Teile der SPD seien auch der Meinung, dass sich in der Flüchtlingspolitik vieles ändern müsse, sagte Veit.

Man habe den Hungerstreikenden aber auch klar gemacht, dass es kein pauschales Bleiberecht für alle geben könne. Michael Griesbeck, der Vizepräsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, habe den Frauen und Männern vom Potsdamer Platz aber versprochen, ihre Verfahren so schnell wie möglich, aber auch mit der gebotenen Sorgfalt zu prüfen. Die Flüchtlinge hatten unter anderem kritisiert, dass manche von ihnen bereits seit drei Jahren auf eine Entscheidung über ihre Asylanträge warten. „Viele kommen aber aus Ländern mit einer hohen Anerkennungsquote, so dass mit einem positiven Verfahrensausgang zu rechnen ist“, sagte Veit. Damit widersprach der Bundestagsabgeordnete Äußerungen von CDU- und auch einigen SPD-Politikern, die in den vergangenen Tagen immer wieder verkündet hatten, es handele sich bei den Hungerstreikenden nicht um politische Flüchtlinge.

Man wolle sich auch gegenüber Bayern dafür einsetzen, dass die Asylsuchenden erst einmal in Berlin bleiben können, sagte Kolat. Die Flüchtlinge, die am Brandenburger Tor protestiert hatten, waren vor elf Tagen aus Bayern nach Berlin gekommen und hatten damit gegen die von ihnen kritisierte Residenzpflicht verstoßen. Diese verpflichtet Asylbewerber, die Stadt oder den Landkreis, in dem sie gemeldet sind, nicht zu verlassen.

Die Flüchtlinge reagierten erleichtert auf die Nachricht von dem Kompromiss, vor dem Brandenburger Tor kam es zu regelrechten Freudenszenen. „Das ist ein wichtiger Schritt in unserem Kampf“, sagte Sibtain Naqvi aus Pakistan dem Tagesspiegel: „Wir hoffen, dass die Politiker ihre Versprechen halten und sich für eine menschlichere Asylpolitik einsetzen.“ Im Januar werde es neue Gespräche geben, sagte Kolat. Dann soll es darum gehen, ob bei der Umsetzung der politischen Forderungen Fortschritte gemacht wurden.

In den vergangenen Tagen waren am Brandenburger Tor mehr als 40 Rettungseinsätze nötig geworden. Der Gesundheitszustand vieler Flüchtlinge hatte sich dramatisch verschlechtert, seitdem sie auch das Trinken verweigert hatten.

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