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Auch diesmal werden die Sicherheitsmaßnahmen vor dem Moabiter Gericht hoch sein.

© picture alliance / dpa

Update

Prozessbeginn in Berlin: Mutmaßliches IS-Mitglied schweigt vor Gericht

Ein 19 Jahre alter Syrer steht im Verdacht, als IS-Mitglied mögliche Anschlagsziele in Berlin ausgespäht zu haben. Zum Prozessauftakt schweigt er.

Es waren zentrale Orte, hier hätte es viele Opfer gegeben. Alexanderplatz, Brandenburger Tor, das Gebiet um den Reichstag. Potenzielle Anschlagsziele. Shaas Al M. soll sie zwischen August 2015 und Februar 2016 ausgespäht haben, ein Syrer, jetzt 19 Jahre alt, derzeit in Untersuchungshaft. Ob er IS-Mitglied war, ob er Ziele ausgespäht hat, ob er einen Kämpfer für den IS nach Syrien vermittelt hat, ob all das, was ihm die Anklage vorwirft, wahr ist, das wird das Kammergericht Moabit klären. Am Mittwochvormittag begann der Prozess gegen den 19-Jährigen. Zu den Anschuldigungen gegen ihn schwieg er. Zur Tatzeit war er minderjährig, es wird nach Jugendstrafrecht verhandelt.

Einen Antrag der Verteidigung auf Ausschluss der Öffentlichkeit, lehnte das Gericht aber ab und schloss sich damit der Bundesanwaltschaft an - das Interesse der Öffentlichkeit überwiege.

Kurz vor dem Prozessauftakt herrschten im Gerichtsgebäude erhöhte Sicherheitsvorkehrungen, Besucher mussten ihre Handys abgeben. Vor Ort waren viele Journalisten und einige Kamerateams.

In Berliner Gefängnissen sitzen derzeit 19 Gefangene, die eine radikal-islamistische Gesinnung haben und entsprechend gewaltbereit sind. 15 weitere sympathisieren erkennbar aktiv mit dem gewaltbereiten extremistischen Islamismus. 13 dieser insgesamt 34 Gefangenen sitzen in Untersuchungshaft, die restlichen verbüßen Freiheits- oder Jugendstrafen. Es sind Zahlen, die die Senats-Justizverwaltung mitteilt.

Kein gemeinsames Essen

Dass zumindest die gefährlichsten dieser Leute im Gefängnis nicht eingestuft werden wie Ladendiebe oder Scheckbetrüger, ist klar. Jeder Einzelfall wird gesondert bewertet. „Aber grundsätzlich gelten für diese Gefangenen Sicherungsverfügungen“, teilt eine Sprecherin der Justizverwaltung mit. „Da sind detaillierte Regelungen zur Unterbringung gegebenenfalls in besonders gesicherten Hafträumen enthalten.“ Möglich ist auch die ständige und unmittelbare Begleitung und Bewachung, auch sind Maßnahmen denkbar „zur Kontrolle des Haftraums, zur Trennung von anderen Gefangenen, zum Besuchsverkehr, zum Schriftverkehr, zum Umgang mit Verteidigern, zur Telekommunikation, zur Übergabe von Gegenständen, zur Durchführung von (Einzel-)Freistunden, zum Transport unter Umständen in Polizeibegleitung außerhalb der Anstalt“.

Besonders gefährliche Häftlinge sind in der Justizvollzugsanstalt Tegel im Sicherungsbereich B1 untergebracht. „Dort haben die Einzel-Freistunden“, sagt ein langjähriger JVA-Mitarbeiter. „Die sitzen dort quasi 23 Stunden in ihrer Zelle.“ Kein gemeinsamer Sport. Kein gemeinsames Essen. Keine Arbeit.

Dabei gilt eigentlich generell Arbeitspflicht. IS-Sympathisanten, die zur Arbeit eingeteilt werden, erhalten in ihrem jeweiligen Betrieb allerdings keinen Freiläuferausweis. Wer dieses Dokument besitzt, darf unbeaufsichtigt zu einer Baustelle. Jemand, der in der Glaserei arbeitet, darf ohne Aufsicht eine kaputte Scheibe reparieren. Aber so einen Ausweis erhält ein Gefangener nur, wenn keine Sicherheitsbedenken bestehen.

Religion ist ein wichtiges Thema

Religion ist natürlich ein wichtiges Thema. „Den Gefangenen steht nach Maßgabe der Regelungen in den Sicherungsverfügungen die Teilnahme an religiösen Veranstaltungen zu, und auch – überwachte – Kontakte zu überprüften Imamen“, sagt die Sprecherin der Justizverwaltung. In der sozialtherapeutischen Station werden radikale IS-Anhänger in Tegel nicht aufgenommen. Bei ihnen sehen Experten keine Chance, sie mit Gesprächsangeboten zu erreichen.

Aber es gibt ja genügend Gefangene, die unterhalb dieser Schwelle stehen, Leute, die empfänglich sind für einfache Botschaften. „Die Vollzugsbeamten sind aufgefordert, aufzupassen“, sagt der langjährige Mitarbeiter. „Sie sollen melden, wenn es Hinweise auf eine IS-Thematik gibt.“ In Fortbildungen lernen Beamte zum Beispiel, IS-Symbole zu erkennen.

Und die IS-Thematik ist, in Tegel zum Beispiel, latent vorhanden. „Wir haben viele Muslime, die erst mal nichts mit dem IS zu tun haben, aber wenig Selbstwertgefühl besitzen. Wenn die an einen Manipulator kommen, sind die nach ein paar Wochen auf Linie“, sagt ein anderer, sehr erfahrener JVA-Mitarbeiter. Er hat auf den Fluren von solchen labilen Leuten einschlägige Kommentare gehört. Einer lautete so: „Okay, es hat auf dem Breitscheidplatz auch Frauen mit Kopftuch getroffen. Aber wer als Muslima zu einem christlichen Fest geht, ist keine echte Muslima mehr.“

„Eine IS-Propaganda wollen die nicht haben“

Das hatte ein Muslim erzählt, der nicht als IS-Sympathisant gilt. Solche Kommentare werden der Sicherheitsabteilung der JVA gemeldet. „Aber viele Gespräche bekommen wir natürlich gar nicht mit“, sagt der JVA-Mitarbeiter. Schon aus Personalmangel sei eine effektive Beobachtung bestimmter Personen kaum möglich.

Ein Teil des Personal-Problems beheben unerwartete  Mitarbeiter. „Wir haben viele Gefangenen aus Syrien und dem Irak. Die wissen, was der IS mit ihren Familien oder ihren Glaubensbrüdern gemacht hat“, sagt der JVA-Mitarbeiter. „Eine IS-Propaganda wollen die nicht haben.“ Ihre Gegenwehr besteht aus Hinweisen. Ein JVA-Mitarbeiter erklärt: „Da sagt dann ein Gefangener zu einem Beamten: Schau dir mal den da drüben an, der redet so einen IS-Scheiß.“

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