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Königliche Gartenarbeit. Drei Schaufeln Erde schippte Elizabeth II. am 27. Mai 1965 ins Pflanzloch.

© ullstein bild

Queen in Berlin: Majestätisch gewachsen

1965 hat Queen Elizabeth II. im Tiergarten eine Eiche gepflanzt. Die steht da immer noch – und allein das ist schon ein Wunder. Die Geschichte eines Baums.

Den Baum der Königin zu finden, ist kinderleicht. Man steige am S-Bahnhof Bellevue aus dem Zug, gehe auf der Bartningallee ein paar Schritte Richtung Akademie der Künste und biege schon vor dem Hanseatenweg nach links in den schmalen Pfad, der hinein in den Tiergarten führt. Am nächsten Abzweig rechts halten, vorbei an der Rückseite der Akademie, zur Linken begrenzt ein kamerabewehrter Zaun den Garten des Schlosses Bellevue. Nach vielleicht 200 Metern leuchtet aus dem Grün das weiße Teehaus des Englischen Gartens mit seiner Terrasse. Und dort gleich rechts vom Weg, zu dem idyllischen Weiher hin, stehen zwei Bäume: ein Ginkgo, der hier nicht zählt, und eine Amerikanische Roteiche. Gut 20 Meter ist sie hoch, ein wenig zur Seite geneigt, die Krone einseitig gewachsen – trotzdem eine imposante, man möchte fast sagen: majestätische Erscheinung. Das ist nur recht so. Königin Elizabeth II. persönlich hat den Baum gepflanzt, bei ihrem ersten Besuch in Berlin am 27. Mai 1965.

Kein Schild erinnert an die royale Schaufelei, für die eigens ein zierlicher Spaten mit rotem Griff in Westdeutschland geordert worden war. Aber Jürgen Götte, im Bezirksamt Mitte als Referatsleiter zuständig fürs öffentliche Grün, ist der Baum der Queen wohlbekannt. „Sehr gut“ sei sein Zustand, die Krone weise kein Totholz auf, und ihr ein wenig asymmetrischer Wuchs liege daran, dass ihr auf der einen Seite ein anderer, mittlerweile verschwundener Baum im Wege gewesen sei.

Dass die Eiche gerade dort steht, ist kein Zufall. Der Englische Garten war schließlich der britische Beitrag zur Wiederbepflanzung des im Krieg und in den Jahren danach weitgehend verschwundenen Tiergartens. Der damalige Stadtkommandant Geoffrey K. Bourne hatte dies angeregt, und schon bei der Einweihung 1952 hatte Außenminister Anthony Eden zwei Bäume gepflanzt, im Auftrag Elizabeths, die zudem drei Kamelien gestiftet hatte. Der Englische Garten war also der prädestinierte Ort für die königliche Eiche, und die Nähe zum Teehaus schon deshalb geboten, weil die Monarchin nach der Gartenarbeit dort in halbwegs privater Atmosphäre Mitglieder der britischen Gemeinde treffen wollte.

Der Baum stammte aus den Schlossgärten von Windsor und kam schon Wochen vor seiner Spenderin in Berlin an, gemeinsam mit zwei Ersatzbäumchen, falls dem auserkorenen Exemplar der hiesige Sandboden nicht behagen oder ihm sonst irgendein Ungemach geschehen sollte – eine leider allzu berechtigte Sorge, wie sich später zeigte.

Aber zunächst war alles eitel Freude im Tiergarten, wie der Tagesspiegel fast ehrfurchtsvoll berichtete: „Vom Regierenden Bürgermeister geleitet, ging die Königin auf die Stelle zu, wo das Bäumchen auf sie wartete. Nachdem Brandt der Königin die Bürgermeister der Bezirke Charlottenburg und Tiergarten vorgestellt hatte, reichte der Obergärtnermeister der Königin einen Spaten, der extra für das Zeremoniell angefertigt worden war. Während ein Bezirksstadtrat die drei Meter hohe nordamerikanische Eiche hielt, schaufelte die Queen Erde in die vorbereitete Grube.“ Übrigens exakt drei Schaufeln voll, wie in anderen Zeitungen ergänzend vermerkt wurde, dann ging es für knapp zehn Minuten zum nahen Teehaus.

Der Ärger begann kurz danach. Kaum war die königliche Gesellschaft zum nächsten Termin gerauscht, die Absperrung aufgehoben, näherten sich die ersten Souvenirjäger dem armen Pflänzchen. Noch ließen sie den Baum selbst in Ruhe, griffen vielmehr ins lockere Erdreich. Krume um Krume verschwand in Hand- und Manteltaschen, bis die Polizei dem Treiben Einhalt gebot. Für eine Woche wurde anfangs eine rot-weiße Absperrung aufgebaut, der Baum Tag und Nacht unter Polizeischutz gestellt, das konnte man aber nicht ewig durchhalten.

Nur bis Ende August ging das gut, und eines Morgens war es passiert: Vandalen hatten das Bäumchen samt dem stützenden dünnen Pfahl über dem untersten von 25 Trieben umgeknickt. Ähnliches war schon nach Außenminister Edens Baumpflanzung 13 Jahre zuvor geschehen. Damals hatte man das junge Grün retten können, diesmal sah die Lage düster aus.

Aber es wurde versucht: Der zuständige Gärtner richtete das Bäumchen wieder auf, bestrich die Bruchstelle mit einer Wachspaste, umwickelte sie mit Bast, befestigte den dünnen Stamm an einem neuen Pfahl und – o Wunder – er gedieh.

Doch, das sei noch der originale Baum, versichert heute Jürgen Götte. Man könne die Spuren der alten Bruchstelle bei genauem Hinsehen sogar noch erkennen. Bleibt die Frage, was aus dem von königlicher Hand berührten Spezialspaten wurde. Das Tiergartener Bezirksamt halte ihn vorerst an geheimem Ort unter Verschluss, hatte der Tagesspiegel vor 50 Jahren geschrieben. Vor 25 Jahren war er bereits nicht mehr auffindbar, wie der damalige Gartenbaumamtsleiter mitteilen musste. Daran hat sich ein Vierteljahrhundert später nichts geändert. Nicht so schlimm. Hauptsache, dem Baum Ihrer Majestät geht es gut.

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