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Update

Haus der Kulturen der Welt: Sarrazin-Auftritt abgesagt

Ein geplanter Auftritt Thilo Sarrazins im Berliner Haus der Kulturen der Welt wird nicht stattfinden. Das internationale Literaturfestival sieht sich nach einem neuen Veranstaltungsort um.

Das Haus der Kulturen der Welt ist so etwas wie die Multi-Kulti-Zentrale Berlins. Entsprechend heftig wurde um einen Auftritt des früheren Berliner Finanzsenators Thilo Sarrazin gerungen, der dort im Rahmen des Internationalen Literaturfestivals Berlin sein umstrittenes Buch „Deutschland schafft sich ab“ vorstellen sollte. Dem Intendanten des Hauses, Bernd Scherer, waren jedoch Zweifel an der Veranstaltung gekommen, weshalb er Sarrazin offenbar am liebsten wieder ausladen wollte. Sarrazins Verlag und die Veranstalter des Literaturfestivals reagierten empört auf Scherers Ankündigung, die Lesung unter Umständen platzen zu lassen. Inzwischen hat die Festivalleitung mitgeteilt, dass die Präsentation des Buches definitiv nicht im Haus der Kulturen stattfinden werde.

Von Seiten des Hauses der Kulturen der Welt hatte es geheißen, die Veranstalter des Internationalen Literaturfestivals Berlin lehnten einen kritischen Gegenpol auf dem Podium ab. Man habe dagegen von Anfang an auf einen kritischen Gesprächspartner für Sarrazin bestanden und dabei an Persönlichkeiten gedacht wie Daniel Cohn-Bendit, Joschka Fischer oder den ehemaligen Finanzminister Peer Steinbrück. Wenn kein adäquater Gesprächspartner gefunden werden könne, werde die Veranstaltung am 25. September nicht stattfinden. Generell gilt laut Intendant Scherer: "Sarrazins polemische Thesen sind völlig konträr zur Grundhaltung unseres Hauses".

Der Leiter des Festivals, Ulrich Schreiber, hielt dagegen, man habe den ZDF-Journalisten Christhard Läpple als Gesprächspartner vorgeschlagen. Dieser sei aber von Seiten des Hauses der Kulturen mit der Begründung abgelehnt worden, es handele sich nicht um eine Gegenstimme "auf Augenhöhe". Auch wenn man weder in Bezug auf seinen Jargon noch inhaltlich mit Sarrazin übereinstimme, sei man der Überzeugung, dass "auch die Position des Andersdenkenden diskutiert werden" müsse, sagte der Festivalchef. Sarrazin vertrete hinsichtlich Migration einen Standpunkt, den ein nicht geringer Teil der Bevölkerung teile. "Wir dürfen den Rechten nicht dieses Terrain überlassen". Mit Ressentiments gegen das Festival habe man gerechnet. Dennoch ist Schreiber der Meinung, "dass wir uns diese politische Unkorrektheit erlauben müssen." Seit seinen Anfängen ist ein kulturpolitisches Diskussionsprogramm fester Bestandteil des Berliner Literaturfestivals. Am Mittwoch überlegte die Festivalleitung noch, ob man dem Haus der Kulturen einen anderen Disputanten vorschlagen sollte. Inzwischen erklärte Schreiber, man wolle sich nach einem anderem Veranstaltungsort umsehen, an dem die Buchvorstellung in der geplanten Konstellation mit Läpple als Moderator stattfinden könne. Das HKW käme endgültig nicht mehr in Frage. "Das Thema ist durch. Das HKW hat sich weder vom Stil noch in der Sache adäquat verhalten".

Der Migrationsrat Berlin Brandenburg, der sich als Interessenvertretung von Migranten in der Region versteht, hatte zuvor in einem Protestschreiben die Verantwortlichen aufgefordert, die Buchpräsentation abzusagen. Durch den Auftritt Sarrazins würde das Haus der Kulturen der Welt „jegliche Glaubwürdigkeit in Bezug auf den Anspruch, den es im Namen führt“ verlieren. Die in Sarrazins Buch vertretenen Thesen bezeichnet der Migrationsrat als „rassistisch“. Der ehemalige Finanzsenator teile die Gesellschaft in „erwünschte“ und „unerwünschte“ Mitglieder.  Nuran Yigit, Sprecherin des Migrationsrates, sagte Tagesspiegel.de: „Wir sind dagegen, dass das Haus der Kulturen Herrn Sarrazin eine Plattform für seine rechtsnationalen und rechtspopulistischen Äußerungen bietet“. Sarrazins Buch entwerfe „apokalyptische Bedrohungsszenarien“ und betreibe „Hetze“ gegen muslimische Migranten. Seine Äußerungen förderten verbale Übergriffe gegen als Ausländer erkennbare Berliner. „Sarrazin liefert eine steile Vorlage für Stammtischparolen“. Derzeit sei man dabei, die Kontakte anderer an der Veranstaltung teilnehmender Autoren zu recherchieren, um sie über die „Geschehnisse in Deutschland zu unterrichten“. Die Autoren hätten ein Recht darauf zu erfahren, mit wem sie eine Bühnen teilten. Reaktionen lägen derzeit noch nicht vor.

Stephanie Kirchner

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