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Spielen und lesen. In der Amerika-Gedenkbibliothek gibt es die Kinder- und Jugendabteilung „Hallescher Komet“. Zurzeit kann man dort an sechs Tagen der Woche Bücher ausleihen oder am Computer spielen.

© Thilo Rückeis

Leserdebatte: Sollen Bibliotheken auch am Sonntag öffnen?

Rot-Rot unterstützt die Bundesratsinitiative zur Sonntagsöffnung der Bibliotheken. Das Arbeitszeitgesetz muss dafür geändert werden. Was meinen Sie: Sollten Büchereien auch am Sonntag geöffnet sein? Diskutieren Sie mit!

Sonntags im Grimm-Zentrum, der Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität: Das vor einem Jahr eröffnete Gebäude am Bahnhof Friedrichstraße ist enorm populär und auch am Sonntag gut gefüllt, Laptops summen, eine stille, emsige Arbeitsatmosphäre füllt den Saal. Die Regel ist das in Berlin nicht. Fast alle anderen Bibliotheken haben an diesem Tag geschlossen. Das könnte sich demnächst ändern: SPD und Linke im Abgeordnetenhaus unterstützen eine Initiative anderer Länder im Bundesrat, die das Arbeitszeitgesetz ändern und es Bibliotheken ermöglichen soll, künftig auch an Sonntagen zu öffnen – wohlgemerkt ermöglichen. Eine Pflicht dazu würde nicht bestehen. Jede Bibliothek beziehungsweise deren Träger kann individuell entscheiden.

Für Claudia Lux wäre die Sonntagsöffnung willkommen. Die Generaldirektorin der Stiftung Zentral- und Landesbibliothek ist für die beiden Standorte Amerika-Gedenk-Bibliothek und Breite Straße zuständig und würde gerne mit den wissenschaftlichen Bibliotheken gleichziehen, für die eine Ausnahmeregelung gilt. „Öffentliche Bibliotheken sind wichtige Freizeitorte. Vor allem am Wochenende kommen Familien gerne gemeinsam, um zu lesen, Musik zu hören oder Märchen zu lauschen.“ Ins gleiche Horn stößt Evelin Müller, die als Leiterin des Amts für Weiterbildung in Lichtenberg die Sicht der Bezirksbibliotheken vertritt. Der Sonntag enthalte ein großes Potenzial, sagt sie. „Das kann man am Sonnabend schon sehen: Der wird vor allem von Familien, einschließlich den Großeltern, sehr gerne genutzt. Es ist ruhiger, weniger hektisch, es gibt Zeit für Beratung.“ Eben diese fachkundige Beratung ist aber der Knackpunkt. Wäre sie auch am Sonntag gewährleistet? Im Grimm-Zentrum ist sie es nicht. Die Studierenden können dort recherchieren, die Online-Kataloge nutzen, Bücher automatisiert ausleihen und zurückgeben. Aber es gibt kein Fachpersonal, das Fragen beantwortet.

Claudia Lux und Evelin Müller sind sich einig, dass im Fall einer Sonntagsöffnung der öffentlichen Bibliotheken das Personal für solche Beratung aufgestockt werden müsste. Das sagt auch Barbara Schneider-Kempf, Generaldirektorin der Staatsbibliothek. Deren beide Häuser seien bereits jetzt rund 70 Stunden in der Woche geöffnet, am Samstag bis in die Abendstunden. „Wenn wir auch am Sonntag öffnen, müsste uns der Unterhaltsträger, der Stiftungsrat der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, entsprechend ausstatten“, so Schneider-Kempf. Dass bei der Landes- und bei den Bezirksbibliotheken mehr Personal eingestellt wird, ist aber unwahrscheinlich. „Der Einstellungskorridor des Landes ist schmal“, sagt Evelin Müller, „und da haben Ärzte und Sozialarbeiter Priorität“. Laut Werner Roepke, Landesfachbereichsleiter Gemeinden bei der Gewerkschaft Verdi, ist die Zahl der Landesbeschäftigten sowieso gesunken: Von 130 000 im Jahr 2005 auf aktuell 107 000. In den nächsten Jahren soll sie die 100 000 erreichen. „Wenn Sie nicht mehr Personal einstellen können, müssten Sie die Bibliothek also an einem anderen Tag schließen“, so Roepke. Als Gewerkschafter ist er aber der Meinung, dass der Samstag als Öffnungstag ausreiche. „Die Sonntagsruhe ist ein Wert, dessen Bedeutung auch das Bundesverfassungsgericht betont hat“, sagt er.

Wolfgang Brauer, Sprecher der Linken im Kulturausschuss, ist einer der Unterzeichner der Initiative. Er schlägt vor, Personal an besucherschwachen Tagen abzuziehen und an Sonntagen einzusetzen. Michael Braun von der oppositionellen CDU hält eine Sonntagsöffnung nicht für finanzierbar: „Bibliotheken haben sich weiterentwickelt, sie sind heute kleine Medienzentren, in denen die Besucher Musik hören, lesen, im Internet surfen und Debatten besuchen. Dafür brauchen sie geschultes Personal.“ Tatsächlich sind Bibliotheken schon längst keine reinen Leseorte mehr, sondern kreative Lern- und Arbeitsorte. Ohne zusätzliches Personal könnte es also auf folgendes Szenario hinauslaufen: Das Gesetz gestattet die Sonntagsöffnung, aber niemand kann davon Gebrauch machen, weil die Bibliotheken trotzdem geschlossen haben.

Wie ist Ihre Meinung? Sollen Bibliotheken auch am Sonntag öffnen? Nutzen Sie die Kommentarfunktion, diskutieren Sie mit.

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