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SONNTAGS um zehn: Drei Taufen und ein volles Haus

Ein liebevoll gestalteter Gottesdienst in der Ölbergkirche am Paul-Lincke-Ufer.

Der kleine Viktor fängt an zu schreien, als Pfarrer Jörg Machel das Wasser auf seine Stirn träufelt. Eltern und Paten, die den Säugling in seinem cremefarbenen Taufkleidchen zum Taufbecken tragen, fällt es sichtlich schwer, ihn zu beruhigen. Viktor ist eines von drei Kindern, die am Sonntag in der Ölbergkirche der Emmaus-Gemeinde am Kreuzberger Paul-Lincke-Ufer getauft wurden.

Freunde und Verwandte drängen sich im kleinen Gotteshaus mit der weißen, gewölbten Decke und dem Parkettboden. Die Gesangsbücher reichten ebenso wenig wie die Sitzplätze: Manche Gottesdienstbesucher sitzen im Foyer, andere verfolgen den Gottesdienst vom Fußboden vor dem Klavier. Der Stimmung in der Kirche tut das keinen Abbruch. Pfarrer Machel beginnt den liebevoll gestalteten Gottesdienst mit einem Witz, und auf Wunsch eines schon etwas größeren Taufkindes singt die Gemeinde am helllichten Tag: Der Mond ist aufgegangen. Dann lädt der Pfarrer zum Kerzengebet: Einzeln gehen die Menschen zum Altar, zünden eine Kerze an und sprechen vor der Gemeinde ein Gebet. Natürlich beten sie für die drei Taufkinder. Doch die Gottesdienstbesucher denken auch an andere Menschen: „Ich zünde eine Kerze an und bete für die 16-Jährige, die neulich einen Amoklauf geplant hat“, sagt ein Gemeindemitglied. Ein anderer betet für einen Mitarbeiter der Kindertagesstätte: „Dass er Kraft und Mut hat, den Kollegen und den Kindern beizustehen.“

Auch in seiner Predigt spricht Jörg Machel über das Gebet. „Seid beharrlich im Gebet und wacht in ihm mit Danksagung“, heißt es im Brief des Paulus an die Kolosser. Heute freilich glaubten viele nicht mehr an den Nutzen von Gebeten. Aus ihrer Sicht sei Gott tot und der Himmel vermauert. „Beim Gebet geht es nicht in erster Linie um Hilfe in größter Not“, sagt Machel. Gebete dienten dazu, dass der Betende seine Rolle in der Welt besser verstehe. Jeder müsse seine Erfahrung machen. Mit einem  Stoßgebet allein klappe das nicht. Benjamin Lassiwe

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