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Liebe zur Laube. Zu den Betroffenen gehört Dietmar Thurisch. Er musste schon einmal einem Wohnungsbauprojekt weichen - in der früheren Kolonie Württemberg am Olivaer Platz.

© Thilo Rückeis

Update

Stadtentwicklung: Kleingärten vor dem Aus

Die Mehrheit der Bezirkspolitiker hat die Teilbebauung der Schmargendorfer Kolonie Oeynhausen akzeptiert. Der BVV-Beschluss gilt aber nur als Notlösung, um einige der Lauben zu retten.

Verraten und verkauft fühlen sich die Kleingärtner in einer der ältesten und größten Berliner Kleingartenanlagen, der Kolonie Oeynhausen in Schmargendorf. Am Donnerstagabend beschloss die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Charlottenburg-Wilmersdorf mit den Stimmen von SPD und Grünen, eine Teilbebauung mit 700 Wohnungen durch den Berliner Unternehmer Klaus Groth zu akzeptieren.

Eigentlich war es seit Jahren der erklärte Wille der BVV, die ganze Kolonie zu erhalten. Der nördliche Teil an der Forckenbeckstraße ist aber Privateigentum. Eine Tochterfirma der US-Investmentgesellschaft Lone Star hatte ihn 2008 für rund 600 000 Euro von der Post erworben. Der Weiterverkauf an Groth tritt in Kraft, wenn Baurecht vorliegt, der vereinbarte Preis soll zwischen 30 und 40 Millionen Euro betragen. Insgesamt will Groth 200 bis 250 Millionen Euro investieren.

Der jetzige Beschluss beruht auf einem Kompromiss, den Baustadtrat Marc Schulte (SPD) mit Investorenvertretern ausgehandelt hat. Dem Bauprojekt sollen 147 Parzellen weichen, dafür bekäme der Bezirk rund die Hälfte der Fläche im Norden geschenkt und könnte 155 Lauben retten. Ohnehin gesichert ist der immer schon landeseigene Südteil der Kolonie an der Friedrichshaller Straße mit 122 Parzellen.

Vertreter der rot-grünen Zählgemeinschaft sagten, ihnen falle die „Notlösung“ schwer. Nur so könne man aber die komplette Bebauung des Privatgeländes verhindern. Die Grünen setzten eine Änderung des ursprünglichen SPD-Antrags durch: Statt einer baurechtlichen „Befreiung“ soll es einen „vorhabenbezogenen Bebauungsplan“ geben. Das bedeutet ein längeres Verfahren mit mehr Bürgerbeteiligung.

Mehrheitlich abgelehnt wurde ein überraschender CDU-Vorstoß. Die Fraktion wollte die Kolonie durch einen Bebauungsplan für Dauerkleingärten schützen. Diesen hatte das Bezirksamt seit Jahren vorbereitet, dann aber aufgegeben. Der Vize-Bürgermeister und Ex-Baustadtrat Klaus-Dieter Gröhler (CDU) erklärte sich bereit, die Papiere an der Stelle des zuständigen SPD-Baustadtrats Marc Schulte zu unterschreiben. SPD und Grüne wiesen dies als „Wahlkampfmanöver“ zurück.

Die Kleingärtner haben die Bezirkspolitiker scharf kritisiert. Es geht zum Beispiel um die Frage, warum Gröhler oder sein seit 2011 amtierender Nachfolger Schulte nicht schon längst eine Veränderungssperre angeordnet hatten. Aktuell begründet Schulte den Kompromiss mit Berechnungen, wonach die Investoren bis zu 25 Millionen Euro Schadensersatz einklagen könnten. Die Senatsfinanzverwaltung lehne eine „Risikovorsorge“ dafür ab. Die Kleingärtner erwidern, Gutachter sähen das Risiko höchstens im geringen einstelligen Millionenbereich.

Für Stadtrat Schulte ist „das Glas halb voll statt halb leer“, da der Nordteil nicht mehr ganz mit dreigeschossigen Häusern bebaut werden solle. Auf der halben Fläche sind Bauten mit fünf Etagen plus Dachgeschoss geplant.

In einem Bürgerbegehren wollten die Laubenpächter ab Sonnabend Unterschriften sammeln. Aber das Bezirksamt fordert einen Hinweis auf den möglichen Schadensersatz, für den im Haushalt „keine Deckung“ vorliege. Die Kleingärtner haben Widerspruch gegen diesen Zusatz eingelegt.

Zuletzt soll die Lone-Star-Tochterfirma Lorac beabsichtigt haben, im Februar Kündigungen zu versenden. Die Räumung müsste dann bis November folgen. Denkbar scheint aber auch, dass erst 2014 gekündigt wird, weil das Bebauungsplanverfahren das Projekt schätzungsweise um ein Jahr verzögert. Fraglich ist dabei, ob die Investoren überhaupt bereit sind, auf die baurechtliche Befreiung zu verzichten oder ob sie diesen Teil des BVV-Votums anfechten wollen. Eine Tagesspiegel-Nachfrage bei Lorac blieb bisher unbeantwortet.

- Für den 29. Januar hat die BVV eine Einwohnerversammlung zum Thema beschlossen (19.30 Uhr, Marienburg-Oberschule, Kranzer Str. 3). Informationen der Betroffenen gibt es unter www.kleingaertnerverein-
oeynhausen.de

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