zum Hauptinhalt
Das Frauenblasorchester bei der Probe in Kreuzberg.

© David Heerde

Frauenblasorchester Berlin: Das Horn ist eine Diva

Seit zehn Jahren gibt es das Frauenblasorchester Berlin. Am Sonnabend steht die Uraufführung des Stücks "Luftspiel" an, eigens fürs Frauenorchester geschrieben. Die einzigen Zicken sind hier die Instrumente.

„Es klingt wie der Hamburger Hafen!“, tönt es aus der letzten Reihe, als die Blechbläserinnen Quincy Jones' „Soul Bossa Nova“ anstimmen. Die Orchesterleiterin Astrid Graf ist nicht ganz zufrieden: „Krieg' ich euren Einsatz ein bisschen selbstbewusster und genauer? Irgendwie schnuckelt ihr so rein!“ Und schon bekommt sie den satten, sicheren Ton, den sie haben wollte.

Probe in der Aula der Otto-Wels-Grundschule in Kreuzberg. Die 66 Musikerinnen des Frauenblasorchesters Berlin (kurz: FBOB) sitzen dicht gedrängt: In den vorderen Reihen die Flöten, eine Oboe, die Klarinetten, Saxofone, Hörner und eine Tuba, dahinter der E-Bass, die Fagotte, Posaunen und Trompeten. Auf der Bühne: Percussion und Marimba. Die Stimmung: konzentriert, aber locker. Viele Füße wippen im Takt.

Fast alle stecken in flachen Schuhen, die Beine überwiegend in Jeans und Chinohosen, nur zwei Frauen sind im Rock erschienen. Bei den Frisuren ist vom Bubikopf über Bob bis hin zur Lockenpracht alles dabei. Bei den Berufen auch: Bibliothekarin, Polizistin, Sozialarbeiterin, Chemikerin, Pfarrerin, Historikerin, Psychotherapeutin, Bäuerin, Bauingenieurin ... Auch die Lebensmodelle variieren stark: Die eine ist verheiratet, die andere Single, manche alleinerziehend, andere in einer Patchwork-Familie, die eine liebt Männer, die andere Frauen, manche beides.

Die Klarinette ist immer dabei

Viele machen schon lange Musik, manche aber auch erst seit kurzem. Die Jüngste ist 19, die Älteste 75. Seit zehn Jahren gibt es dieses Frauenorchester nun.

Forsch, flott und präzise kommt Michael Nymans „Time Lapse“ in Gang. Astrid Graf hat das Stück fürs FBOB neu arrangiert. Sie dirigiert mit dem ganzen Körper, federt auf und ab, wippt mit den Füßen. „Das ersetzt ein bisschen das Fitnesscenter“, witzelt sie. Die 49-Jährige hat mit zehn Jahren angefangen, Klarinette zu spielen: „Ich habe die in jeden Urlaub mitgeschleppt und jeden damit beglückt“, erzählt sie. Später studierte sie das Instrument in Köln und Kassel, bevor sie vor elf Jahren das FBOB gründete. Sie inserierte in Stadtmagazinen, verteilte Flyer – und staunte nicht schlecht, als sich sofort 38 Frauen meldeten. „Unseren ersten Auftritt hatten wir vor zehn Jahren im BKA-Theater“, erinnert sich Graf. „Wir saßen dabei im Publikum, weil wir auf der Bühne keinen Platz hatten.“

Mindestens 60 Quadratmeter braucht das FBOB heute bei einem Auftritt. Jahr für Jahr kamen mehr Frauen dazu, so dass der Proberaum in der Fabrik Osloer Straße schnell zu klein wurde. Mit den Mitgliedern wuchs auch das Repertoire: Klassik, Swing, Filmmusik, Weltmusik, Funk-Jazz, Rock, Pop und vieles mehr gehören heute dazu. Bald kam die Frage auf, ob man leistungsorientiert arbeiten wolle oder nicht.

"Hier spielen sonst die Philharmoniker"

Die Frauen entschieden sich dafür. „Das bedeutet, dass wir Ziele haben und Registerproben machen, also mit den einzelnen Instrumenten üben“, erklärt Graf. Erstmals hat sich das Orchester auch an ein Stück der Neuen Musik gewagt. Die Berliner Komponistin Susanne Stelzenbach hat es speziell fürs FBOB geschrieben. Eine große Herausforderung, meint Graf, vor allem wegen der neuen Hörgewohnheiten und der vielen Taktwechsel. Aber sie ist zuversichtlich, dass die Frauen das packen werden. Am Sonnabend führen die Frauen das Stück zum ersten Mal auf, im Großen Sendesaal des rbb im Haus des Rundfunks.

„Wir sind weiter gekommen, als ich gedacht hätte“, sagt Graf und schwärmt von den beiden erfolgreichen Auftritten des FBOB im Kleinen Saal der Philharmonie. „Das war schon aufregend“, erinnert sie sich, „sich allein beim Einspielen klarzumachen: Hier spielen sonst die Philharmoniker!“

Bei denen stehe aber nur eine einzige Frau im Blech, weiß Christina Bylow, die Oboe im FBOB. „Ich finde es schön, dass es so voll und so tief klingt“, sagt Antje Teichmann und streicht zärtlich über ihr Tenorhorn. Bettina Rient, ein FBOB-Gründungsmitglied, schwärmt dagegen von ihrem Baritonsaxofon: Der Ton sei nicht so brav, sondern keck. „Es ist 'ne Diva und macht meist nicht, was ich will“, sagt Irmgard Stellmaszek, mit 75 Jahren die Älteste, über ihr Waldhorn.

Frech und ungeniert dürfen im FBOB aber nur die Instrumente sein. Clichéfrage: Kein Gezicke unter 66 Frauen? „Kaum“, sagt Graf, „ich hab's in gemischten Orchestern schlimmer erlebt.“ Wenn sie manchmal sage, „bitte kein Zickenfox!“, dann meine sie, dass die Musikerinnen den Foxtrott weich und nicht gehackt spielen sollten. Weitere Clichéfrage: Wird hier alles ausdiskutiert? Eine Bestimmerin, die alles allein entscheidet, habe im FBOB keine Chance. Welche Werke neu ins Repertoire kommen, entscheiden die Frauen gemeinsam. Alle Vierteljahre gibt es eine Stunde „Redezeit“ und Akutes bereden sie mit der Leiterin nach der Probe.

„Alle mögen Musik, das verbindet uns“, sagt Laura Adler. Sie ist mit 19 die Jüngste und will kommende Woche entscheiden, ob sie festes Mitglied im FBOB wird. Dass hier die verschiedenen Altersgruppen miteinander klarkommen, gefällt ihr gut. „Mission Impossible“ - das gilt beim FBOB nur für Lalo Schifrins und John Ryans gleichnamiges Musikstück. Und das klingt dann auch so, wie es klingen soll: energisch, lässig und groovy.

Das FBOB spielt Stelzenbachs "Luftspiel" am 9. Mai, 19.30 Uhr, Masurenallee 8-14, Westend. Karten ab 12 Euro, ermäßigt 10. Karten unter ticketsfbob@gmail.com, Tel. 01575-54 67 213. Mehr Infos unter: www.fbob.de.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false