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Dezente Pudertöne. Brautkleider sind eine Spezialität der Designerinnen Alexandra Fischer-Roehler (r.) und Johanna Kühl (l.) vom Modelabel Kaviar Gauche. Der neue Shop hat gerade in der Hausnummer 44 eröffnet, in der Nummer 40 sitzt seit ein paar Wochen schon der Edelstreetwearladen Firmament.

© Kitty Kleist-Heinrich

Mode: Pionierinnen des Luxus

Die Linienstraße hat ihren zweiten Modeladen: Das schicke Label Kaviar Gauche verkauft hier jetzt teure Brautkleider und Taschen.

Die Gegensätze, die Berlin ausmachen, liegen in der Linienstraße besonders nah beieinander: einfache Plattenbauten, schick sanierte Altbauten neben solchen, die noch auf ihre Wiederentdeckung warten, grüne Winkel, Brachen und ein besetztes Haus mit aufgesprühten Parolen und vor bröckelnden Wänden hängenden Transparenten. In diesen Berliner Mikrokosmos ist nun auch die Designermode eingezogen: Den Anfang machte der Edel-Streetwear-Laden Firmament, der seit wenigen Wochen exklusive Jacken, Shirts und Turnschuhe aus Japan, den USA und Skandinavien im spektakulären Neubau L40 anbietet. Und ein paar Häuser weiter hat gerade das Berliner Luxuslabel Kaviar Gauche seinen ersten Flagshipstore eröffnet.

„Für uns ist das der perfekte Standort“, erklärt Alexandra Fischer-Roehler: „Hier sind wir Pioniere.“ Die Designerin, die Kaviar Gauche zusammen mit Johanna Kühl 2004 gründete, schätzt das Unfertige, „die Anarchie“ der Umgebung – noch blickt man auf eine mit Graffitis übersäte Brandwand und die Baucontainer auf der Brache gegenüber. Der Wunsch nach Neuland sprach gegen die Mulackstraße, die sich mit den Shops der heimischen Labels Lala Berlin, Firma oder Butterflysoulfire schon zur heimlichen Modehauptstraße von Mitte gemausert hat. Und es gab auch einen ganz praktischen Grund: Das Hauptquartier von Kaviar Gauche, in dem auch die Kollektionen entstehen, liegt an der Torstraße und grenzt an den Hinterhof des neuen Ladens.

Nun haben die Räumlichkeiten nicht mehr ausgereicht, denn Kaviar Gauche konnte die Krise nichts anhaben. Während andere Berliner Luxuslabels wie Unrath & Strano zwar in Glamourmagazinen allgegenwärtig waren, aber zu wenig verkauften und aufgeben mussten, besitzt Kaviar Gauche nicht nur eine glänzende Fassade, sondern auch ein solides wirtschaftliches Fundament. Sogar von einer „extremen Nachfrage“ weiß Fischer-Roehler zu berichten. Damit widerlegt das kleine Modehaus das gängige Klischee, Berlin sei ein idealer Standort für kreative Modemacher, besitze aber nicht die Kaufkraft, um ihnen auch das wirtschaftliche Überleben zu sichern: Auch Berlinerinnen sind mittlerweile eine wichtige Zielgruppe.

Dabei hatte das Label in den ersten Jahren auf Paris und Japan gesetzt, wo mehr Geld für Mode ausgegeben wird. „Wir hatten das Glück, dass der deutsche Markt stärker wurde, als die asiatischen Länder schwächelten,“ sagt Fischer-Roehler. Auf der Berliner Fashion-Week zu zeigen, war ihrer Ansicht nach entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg in der Heimat. Die Aufmerksamkeit der Medien zahlte sich für Kaviar Gauche aus. Damit gerät ein weiteres Vorurteil ins Wanken – nämlich, dass die Berliner Modeevents nur Bilder und Schlagzeilen produzierten, der hiesigen Wirtschaft aber real kaum etwas einbrächten.

Als krisenresistent erwies sich Kaviar Gauche auch deshalb, weil das Label außergewöhnlich vielseitig ist: Den internationalen Durchbruch feierten Kühl und Fischer-Roehler mit ihren charakteristischen Taschen, den Lamella-Bags. Lederwaren spielen seither eine zentrale Rolle im Repertoire, das kürzlich noch um eine erste eigene Schuhkollektion für Görtz erweitert wurde. Das Rückgrat der Marke bilden die regulären Damenkollektionen, die mit ihrer eigenwilligen Interpretation von Glamour längst prominente Verehrerinnen wie Heike Makatsch oder Marie Bäumer gefunden haben.

Zu einer weiteren Spezialität haben sich Brautkleider entwickelt. Die stellte Kaviar Gauche im vergangenen Sommer mit einer fulminanten Show auf der Fashion Week vor. Eine strategische Entscheidung stand nicht dahinter: „Viele Frauen hatten unsere Kleider in Zeitschriften gesehen und wollten etwas Entsprechendes für ihre Hochzeit haben“. Im vergangenen Jahr beschlossen die beiden Designerinnen, Brautmode „professionell anzugehen“. Als der Umsatz mit Ledertaschen sank, erwiesen sich die Zusatzeinnahmen mit Hochzeitskleidern als wertvoller Ausgleich.

Im neuen Shop werden zum ersten Mal alle Bestandteile des Kaviar-Gauche-Repertoires gemeinsam präsentiert. Dabei zeigte sich eine neue Facette der Kreativität: „Wir haben die Einrichtung wie eine Kollektion entworfen,“ erklärt Fischer-Roehler. Dabei arbeiteten sie mit dem Architekten Amir Abadi zusammen. Herausgekommen ist ein Raum, der die Kleidungsstücke und Accessoires ideal ergänzt. Die Synthese aus organischen, abstrahierten Naturformen, kalt glänzenden metallischen und spiegelnden Oberflächen und dezenten Pudertönen prägt den Shop ebenso wie die Produkte. Und auch jenseits der Scheiben findet der Zweiklang seine Fortsetzung: Durch die Schaufenster blickt man vorne auf die Baustelle, zum Hinterhof auf eine Bambuspflanzung. Im Shop wie in den Kollektionen begegnen sich Urbanität und Idylle.

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