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Ab 4 Uhr morgens stehen die Menschen vor dem Standesamt Mitte in der Parochialstraße Schlange.

© Lilith Grull

Standesamt Berlin-Mitte: Drum friere, wer sich ewig bindet

Vor dem überlasteten Standesamt Mitte stellen sich Heiratswillige in der Dunkelheit fünf Stunden vor Beginn der Sprechzeit an. Ein Ortstermin zum Anbruch des Tages.

Es ist 6.45 Uhr am Montagmorgen. Ein eisiger Wind weht, und die Schlange vor dem Standesamt Mitte in der Parochialstraße reicht bis auf den gegenüberliegenden Bürgersteig. An diesem Tag versuchen 40 Personen, eines der durchschnittlich zehn Termintickets für die Sprechstunde beim Standesamt zu bekommen, um ihre Eheschließung anzumelden. Wegen dem großen Andrang und der geringen Ticketzahl warten die ersten Heiratswilligen seit 4 Uhr am Morgen. Warten müssen sie draußen.

Durch die Tür sieht man einen Pförtner im fortgeschrittenem Alter und mit Streifenpulli. Er isst eine Stulle, vor ihm ein Ständer mit Heiratsmagazinen. Bei ihm ist es warm, aber vor seiner Tür herrschen Minusgrade. Warum nicht im Warteraum ausgeharrt werden darf, sagt er nicht. Auch nicht, warum schwangere Frauen und Familien mit Säuglingen nicht wenigstens in den Vorraum zu ihm dürfen.

Decken, Snacks und Tee gegen die Kälte

Selten scheinen sich Paare gemeinsam anzustellen, bei manchen kommt der Partner oder ein Freund nach. Viele haben sich Decken, Snacks und Tee mitgebracht. Auf die Stufen dürften sie sich aber nicht setzten, dann komme der Pförtner und schicke sie weg, denn der Weg müsse freigehalten werden. Das zumindest berichtet Julia. Wie viele andere ist sie nicht das erste Mal vor Ort. Bereits in der vergangenen Woche stand sie in der Kälte, hat aber keines der Termintickets bekommen. Dieses Mal soll es klappen.

Seit 4 Uhr steht sie mit ihrem Verlobten vor dem Standesamt Mitte. Sie haben sich extra frei genommen. Seit zwölf Jahren sind sie ein Paar, zwei Jahre ist der Heiratsantrag her. „Ich war ein wenig zu schnell“, erzählt Julia. Sie und ihr jetziger Verlobter hatten beide unabhängig voneinander einen Ring in Auftrag gegeben, um die eine Frage zu stellen. Bei einem Picknick am Plötzensee zur Feier des Pärchen-Jahrestags wollte Julia aber nicht mehr warten. „Mit einem Ring aus Alufolie habe ich ihn gefragt“, erzählt sie. „Hätte ich eine Woche gewartet, wäre der Ring für mich fertig gewesen und ich hätte einen Antrag am Brandenburger Tor bekommen.“

Am Montag und Dienstag können Heiratswillige ohne Termin kommen

Seit Dezember habe sie versucht, während der Sprechzeiten anzurufen, es sei aber ständig besetzt. Am Montag und Dienstag können Heiratswillige ohne Termin kommen, nur für Donnerstage werden Termine vergeben, die man telefonisch buchen muss. Eine weitere Problemstelle. Wie berichtet, ist das Standesamt Mitte dauerhaft unterbesetzt. Fünf Stellen sind nach Auskunft von Bezirksstadträtin Sandra Obermeyer (parteilos, für Linke) offen. Sie setzt auf eine Verbesserung der Situation im Laufe des Jahres.

Bei den Wartenden treffen diese Informationen auf kein Verständnis. „Dann müssen sie halt mehr als dreieinhalb Stunden an zwei Tagen für uns offen sein“, verlangt ein Wartender. Er steht das dritte Mal an. In der kommenden Woche beginnt sein neuer Job, da kann er sich nicht gleich am Anfang frei nehmen. Um 7:30 Uhr werden die Termintickets vergeben. An diesen Tag ungewöhnlich viele: 18, statt zehn, denn ein dritter Beamter sei da, so der Pförtner. Er und ein Sicherheitsmann hindern die 20 Übriggebliebenen, sich mit in den Warteraum zu setzten. Sie werden auf Dienstag vertröstet – wieder ein Tag, an dem sich viele freinehmen und sehr früh aufstehen müssen.

"Mit etwas Glück haben wir den Stress bald hinter uns"

Jack (26) und Claudia (31) gehören zu den wenigen, die das erste Mal in der Schlange stehen. Auch Jack harrt seit dreieinhalb Stunden aus. Er erzählt, dass sogar schon vor ihm Heiratswillige dagewesen seien. Er kommt aus Australien, und für Paare, bei denen einer oder beide Ausländer sind, ist das Prozedere noch schwieriger. In Online-Foren und über Bekannte haben sie versucht, sich zu den benötigten Unterlagen zu informieren. Englische Dokumente müssen ins Deutsche übersetzt werden, das kann eine nicht ganz günstige und vor allem zeitaufwendige Angelegenheit sein. Auch Claudia berichtet, dass sie telefonisch niemanden erreichen konnte, um einen Termin zu vereinbaren und sich zu informieren.

Jack und Claudia haben an diesem Montag Erfolg: Sie ergattern eines der Tickets, schaffen es in die Sprechstunde. „Noch eine Unterlage fehlt, dann müssen wir uns noch mal anstellen,“ sagt Claudia. Dafür einen Termin zu vereinbaren ist ihr nicht geglückt. Doch sie bleibt optimistisch. „Mit etwas Glück haben wir den Stress bald hinter uns.“

Lilith Grull

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