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Berlin: Ungewöhnliches Bündnis auf Zeit

Der neue SPD-Vorstand umfasst alle Strömungen Das ist wichtig für den neuen Landeschef Stöß.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Dem neuen SPD-Landeschef Jan Stöß ist es am Ende gelungen, bei den Vorstandswahlen am Sonnabend sein komplettes Wunschteam durchzusetzen. Nicht nur die Parteilinke, sondern auch rechte Strömungen wurden in die neue Parteiführung eingebunden. Ein ungewöhnliches Bündnis, gewiss nur auf Zeit. Die Wahlen verliefen auch nicht pannenfrei. Aber Stöß brauchte auf dem SPD-Landesparteitag diese bunte Zählgemeinschaft, um den bisherigen Parteivorsitzenden Michael Müller aus dem Amt zu drängen.

Auf diese Weise kamen für Stöß knapp 55 Prozent der Delegiertenstimmen zusammen. Anschließend wurden vier Stellvertretende SPD-Landesvorsitzende gewählt. Das beste Ergebnis erhielt Barbara Loth aus Steglitz-Zehlendorf. Die Parteilinke war Arbeitsrichterin und ist seit Ende 2011 Staatssekretärin in der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen. Sie war vorher schon Vize-Parteichefin und wurde mit 66 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt.

Auch Iris Spranger, Abgeordnete und Ex-Staatssekretärin aus Marzahn-Hellersdorf, wurde wiedergewählt. Allerdings nur mit der äußerst knappen Mehrheit von 50 Prozent. Spranger gehört zur pragmatischen Rechten („Berliner Mitte“). Der neue Vize-Parteichef Philipp Steinberg aus dem SPD-Kreisverband Mitte gehört keinem Flügel an. Der Referent für Finanz- und Wirtschaftspolitik beim SPD-Bundesvorstand ist eigentlich Regierungsdirektor im Bundesfinanzministerium, aber derzeit beurlaubt. Auch er kam bei den Vorstandswahlen über 51 Prozent der Stimmen nicht hinaus.

Der Neuköllner SPD-Kreischef und Sprecher der klassischen Parteirechten („Aufbruch“), Fritz Felgentreu, fiel im ersten Wahlgang überraschend durch. Das lag vor allem daran, dass ihm die Genossin Birgit Monteiro, ebenfalls eine SPD-Rechte aus dem kleinen Kreisverband Lichtenberg, eine Reihe von Delegierten abspenstig machte. Monteiro hatte für das Team von Müller kandidiert, das nicht zum Zuge kam, doch beinahe wäre ihr ein Überraschungserfolg gelungen. Vier Stimmen fehlten im ersten Wahlgang zum Erfolg. Im zweiten Anlauf konnte sich dann Felgentreu mit 56 Prozent der Stimmen durechsetzen.

Komplettiert wird die neue Führungsriege der Sozialdemokraten durch die Spandauerin Ulrike Sommer. Die Krimi-Autorin und frühere Agenturjournalistin, Ehefrau des DGB-Chefs Michael Sommer, wurde auf dem Parteitag mit 55 Prozent der Stimmen zur Landeskassiererin gewählt. Ihr Vorgänger, der Unternehmer und wirtschaftspolitische Experte Harald Christ, befreundet mit dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit, zieht sich aus der Berliner Politik zurück. Die Familie Sommer spielt nun in der Berliner Sozialdemokratie eine wichtige Rolle. Ehemann Michael wurde am Sonnabend in die Schiedskommission des SPD-Landesverbands berufen. Die Tochter Helene sitzt im Vorstand der Jungsozialisten und und gemeinsam mit der Mama im Spandauer SPD-Kreisverband.

Der Reinickendorfer Kreisvorsitzende Jörg Stroedter musste bei den Vorstandswahlen eine brutale Schlappe hinnehmen. Normalerweise ist es ein Routinevorgang, dass alle zwölf SPD-Kreischefs in die Parteiführung gewählt werden. Aber Stroedter, der als Sprecher der „Berliner Mitte“ in den vergangenen Monaten die Mehrheiten für den neuen Parteichef Stöß mitorganisiert hatte, fiel gleich zwei Mal durch.

Er selbst erklärt sich das damit, dass sowohl die „Müller-Leute“ als auch der „Aufbruch“ ihm die Zustimmung versagten. Insofern sei dies ein „ehrliches Ergebnis“, so Stroedter, aber auch ein „Affront“. Zunächst herrschte statutenrechtliche Verwirrung, einige Parteifreunde dachten sogar, Stroedter verliere mit der doppelten, nicht heilbaren Wahlniederlage auch den Kreisvorsitz in Reinickendorf. Aber das stimmt nicht. Er wird nun voraussichtlich in den SPD-Landesvorstand kooptiert, allerdings ohne Stimmrecht.

Das mit Abstand beste Wahlergebnis erzielte übrigens Monika Buttgereit, die als eine von acht Beisitzern im Landesvorstand bestätigt wurde. Die Grundschullehrerin aus Kreuzberg, eine gestandene SPD-Linke, feiert in diesem Jahr ihr 40-jähriges Parteijubiläum. Seit 1988 gehört Buttgereit in verschiedenen Funktionen der Berliner SPD-Führung an, auch als Bildungs- und Wissenschaftsexpertin, und seit acht Jahren leitet sie unangefochten die einflussreiche Antragskommission des Vorstands. Buttgereit, die ehemals mit dem Ex-Landeschef der SPD, Peter Strieder verheiratet war, kam am Sonnabend auf 81 Prozent der Stimmen.

Insgesamt kann sich Jan Stöß in dem 33-köpfigen SPD-Führungsgremium auf eine breite Mehrheit stützen. Auf seiner Internetseite lobte er den neuen Vorstand als „Frauen und Männer aus allen Kreisen, allen Strömungen, die umfassendes Wissen, Klugheit und Erfahrung“ mitbrächten. Ulrich Zawatka-Gerlach

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