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Glosse: Vom Aussterben bedroht: das waschechte Berlinerisch

In Berlin hört man ja alles, außer Berlinerisch, hat man manchmal das Gefühl. Deshalb freut sich Lothar Heinke über ein uraltes Wort, das wieder voll da ist.

Und plötzlich, auf dem U-Bahnhof Stadtmitte, zuckt man zusammen: Da steht auf einem Riesenplakat das schöne Alt-Berliner Wort „Knorke!“ Eine Agentur meint, diese Werbefläche sei „einfach knorke“, und wir suchen in der hintersten Ecke des Gedächtnisses, wann zuletzt Knorke knorke war, dieser knappe knackige Positiv-Aufschrei des waschechten Berliners, wenn er etwas dufte, schnafte, schnieke, schau, stark, fetzig, supi, krass oder megageil findet.

Lange verschüttet, überwuchert von anderen Worten mit ähnlicher Bedeutung, windet sich unser jutet altet Knorke, nach dem übrigens sogar einmal ein Gorilla im Zoo benannt war, wie eine unausrottbare Berliner Pflanze ans Sonnenlicht einer Zeit, in der Denglisch, Bayerisch und Schwäbisch das idiomatische Kulturerbe Berlins mehr und mehr zu verdrängen drohen.

Schon Kurt Tucholksky hat das griffige Knorke gewürdigt, aber 1924 in der Vossischen Zeitung für tot erklärt. Sein Trost von damals wird heute wahr: „Knorke kommt und Knorke vergeht, unser Leben ist wie Knorke, der Wind trägts umher, wirbelt es hierhin und dorthin – und was bleibt in den meisten Fällen übrig? Chorus mysticus: Knorke!“

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