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Stiller Protest. Heute wird ein Geisterrad aufgestellt.

© dpa

Update

Radverkehr in Berlin: Das Fahrrad wird in Berlin zum Lebensrisiko

Rad- und Autofahrer kommen sich in Berlin oft ins Gehege. Oft überholen Autofahrer mit zu geringem Abstand.

Es war eine für Berlin typische Eskalation: Zwischen einem Radler und einem Autofahrer kam es zum Streit, ein Opelfahrer prügelte einen Lokalpolitiker der Piraten sogar krankenhausreif. Auslöser war wohl wieder einmal ein zu knappes Überholen. Der Tagesspiegel hat vor einigen Wochen schon einmal dieses Problem analysiert - Anlass waren zwei Todesfälle nach Unfällen von Radfahrern. Hier noch einmal der aktualisierte Text:

Eine Woche lang fand die groß angekündigte Sonderkontrolle „zur Bekämpfung von Verkehrsunfällen mit Radfahrern“ statt. In diesen fünf Tagen wurden zwei Radfahrer getötet. Zunächst traf es einen 63-Jährigen in Treptow durch einen nach rechts abbiegenden Sattelschlepper, dies ist der „klassische“ Unfall. So hatte die Polizei ihre Sonderkontrolle begründet: „Fehlerhaftes Abbiegen durch Kraftfahrzeuge an Kreuzungen und Einmündungen ist mit weitem Abstand hauptursächlich für Verkehrsunfälle mit Radfahrern, bei denen diese schwer oder tödlich verletzt werden.“ Wenige Tage später traf es in Oberschöneweide einen 36-Jährigen aus Lichtenberg. Er wurde von einem schweren Lastwagen von hinten gerammt. „Zu geringer seitlicher Abstand“ notierte die Polizei. In der Edisonstraße gibt es am Unfallort hinter der Kreuzung Griechische Allee keinerlei Radinfrastruktur, nur zwei Kfz-Fahrspuren pro Richtung.

Drei Tote durch fehlenden seitlichen Abstand

Es fällt auf, dass drei der fünf in diesem Jahr getöteten Radfahrer von hinten einfach umgefahren wurden, immer ohne oder mit zu geringem seitlichen Abstand. Während Abbieger sich gerne noch mit der Ausrede „Hab ich übersehen“ argumentieren, gibt es für fehlenden seitlichen Abstand keine Ausrede: Wenn der Platz für ein sicheres Überholen nicht reicht, muss das Kfz warten, so die Rechtsprechung. Autofahrer sollten mindestens 1 bis 1,5 Meter Abstand beim Überholen eines Fahrrades einhalten. Tatsächlich wird oft mit weit geringerem Seitenabstand überholt, wie nicht nur der ADFC beklagt. Viele Radfahrer tragen Warnwesten mit der Aufforderung „Abstand halten“ auf dem Rücken. Der ADFC empfiehlt, auf engen Fahrbahn nicht direkt am rechten Rand zu fahren, um Autofahrer nicht noch zum Überholen mit zu geringem Seitenabstand einzuladen. Aktivisten fordern ein Überholverbot für Autos, wenn der nötige Sicherheitsabstand nicht ausreicht. Von 2008 bis 2015 starben sieben Radfahrer in Berlin durch zu geringen seitlichen Abstand. Zuletzt waren zwei ältere Frauen so ums Leben gekommen. Deutlich mehr, nämlich 25, waren es durch Rechtsabbieger.

Volksentscheid will sichere Hauptstraßen

Wie berichtet, wird derzeit der „Volksentscheid Fahrrad“ vorbereitet, mit dem der Senat zu einer fahrradfreundlicheren Verkehrsplanung gezwungen werden soll. Der Senat will mit einer PR-Kampagne dagegen halten. Der Gesetzentwurf der Volksentscheidler ist inzwischen fertig. Bald soll die Sammlung von 20000 Unterschriften beginnen, mit denen das Volksbegehren erzwungen werden soll. Sollte dieses erfolgreich sein, schließt sich daran der eigentliche Volksentscheid an. Eine der Forderungen ist: „Auch Hauptstraßen müssen für Radler sicher und komfortabel sein.“ Zur Not muss für dieses Ziel die für Autos reservierte Verkehrsfläche verringert werden. Bislang weichen unsichere Radfahrer an Hauptstraßen oft auf Gehwege aus – was täglich Unfälle verursacht. Ein Beispiel aus dem April: Ein unbekannter Radfahrer hat auf dem Gehweg eine Fußgängerin angefahren und ist dann geflüchtet. Der Unfall geschah um 13.25 Uhr auf dem Gehweg der Johannisthaler Chaussee, direkt am U-Bahn-Ausgang. Die 60-Jährige kam in ein Krankenhaus. Am Unfallort verläuft der Radweg auf dem Gehweg zwischen Bushaltestelle und U-Bahn-Ausgang. Benutzungspflichtig ist der Radweg nicht. Wieso der Radfahrer auf den Gehweg auswich, ist unklar.

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