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Urbane Eleganz. Entwurf eines Kinos von R. Rettig, 1930.

©  DAM/Uwe Dettmar

Ausstellung im Museum für Architekturzeichnung: Eine Reise durch Berlins Baugeschichte

Von Christo bis Gottfried Boehm: Die Ausstellung „Berliner Projekte 1920-1990“ feiert die Schönheit der Architekturzeichnung - und entführt gleichzeitig auf eine Reise durch Berlins Baugeschichte.

Eine zweieinhalb Meter breite Collage von Christo ruft den nun schon zwei Jahrzehnte zurückliegenden Sommer der Reichstagsverhüllung in Erinnerung – und zugleich dominiert sie die neue Ausstellung im Berliner Museum für Architekturzeichnung, die „Berliner Projekte“ aus dem Zeitraum von 1920 bis 1990 vorstellt. Mit Recht so, denn die künstlerische Arbeit von Christo und Jeanne Claude aus dem frühen Jahr 1977, die dennoch ungemein exakt vorgibt, wie der Faltenwurf der Reichstagshülle 18 Jahre später (!) aussehen sollte, macht deutlich, dass die 33 vom Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt am Main (DAM) ausgeliehenen Arbeiten zuallererst als Kunstwerke betrachtet werden wollen.

Die Architektenzeichnung ist ein aussterbendes Genre, „genauso ins Digitale abgewandert wie die ganze Phase der Ausführungsplanung“, wie der langjährige DAM-Vize Wolfgang Voigt im Katalog bedauert. Im Museum am Pfefferberg ist nochmal die Schönheit der Architekturzeichnung ebenso zu bewundern wie die Vielfalt der Gestaltungsmittel. Einst waren Kohle und Pastellkreiden Instrumente von Künstler-Architekten, die eine Entwurfsidee auf den Zeichenblock warfen, wie der große Hans Poelzig für den Innenraum des Großen Schauspielhauses 1919/20, die legendäre „Tropfsteinhöhle“. Aber auch bis in jüngere Zeit wurde mit Kohle skizziert, so von dem heute 97-jährigen Altmeister Gottfried Boehm, der dem Reichstagsgebäude 1992 eine Kuppel aufsetzen wollte.

Das machte dann bekanntlich Norman Foster, der freilich im Wettbewerb mit der als „Tankstellendach“ bespöttelten, horizontalen Segeltuchbedachung antrat – und gewann. Die beiden Renderings hierzu aus der Hand von Helmut Jacoby stehen für die klassische Veranschaulichung, wie sie Architekten für Bauherren und Jurys anzufertigen pflegten.

Die Opulenz der Postmoderne

Alvaro Siza kritzelte mit dem Bleistift die erste Idee zum Wohnhaus im damals peripheren Kreuzberg, das im Rahmen der IBA 1983/87 entstand. Wie überhaupt die IBA nochmals das Können – und auch die Selbstgefälligkeit – der nun zumeist postmodern ausgerichteten Architekten herausforderte. Erstaunlich ist in diesem Kontext O.M. Ungers’ Entwurf für die Museen am Kulturforum, der leicht in IBA-Zeiten zu datieren wäre, tatsächlich aber von 1965 stammt. Ihren Höhepunkt erreicht die Opulenz der Postmoderne in Zaha Hadids zwei Meter breiter Leinwand von 1986, die verschiedene Ansichten eines Objekts vorführt, das man mit gutem Willen als „Bürogebäude am Kurfürstendamm“ erkennen mag.

Früher waren die Kollegen nicht weniger suggestiv, aber doch um einiges konkreter. So zeigt die Ausstellung zwei Blätter eines bis auf seinen Namen „R. Rettig“ unbekannten Baumeisters oder dessen Zeichners, ein Kino „Atlantik“ darstellend. Das Vorbild Erich Mendelsohn mit dem „Universum“-Kino am Lehniner Platz – heute Schaubühne – springt ins Auge. Das Jahr ist 1930 – zu spät schon für die Ausführung, denn mit der Weltwirtschaftskrise enden alle Träume der mondänen Weltstadt. So ist die exquisite Ausstellung, abgesehen von der Feier der eigenen Hand des Architekten, auch eine kleine Reise durch Berlins Baugeschichte im 20. Jahrhundert.

Museum für Architekturzeichnung, Christinenstraße 18a (am Pfefferberg), bis 25. Juni. Mo-Fr 14-19 Uhr, Sa/So 13-17 Uhr. Katalog 20 €.

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