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Kultur: Entspanntes Vorspiel

Der Text ist meine Party: Die Kandidaten des 31. Bachmann-Wettbewerbs in Berlin

So freudestrahlend hat man Michaela Mondschein selten gesehen. Mondschein ist die Organisatorin des Klagenfurter Ingeborg-Bachmann-Wettlesens und verkündet an diesem Mittwochabend in der Literaturwerkstatt Berlin unter anderem, wer die traditionelle Eröffnungsrede des Wettbewerbs vom 27. Juni bis zum 1. Juli hält. Es ist der Schriftsteller und Creative-Writing-Lehrer Hanns-Josef Ortheil, der auch schon den Titel seiner Rede verraten hat: „Warum wir Klagenfurt so lieben“. Ein Hoch auf den Bachmannwettbewerb, das freut die Verantwortlichen und die das Lesen und Darüberstreiten live übertragenden Fernsehsender 3sat und ORF, insbesondere nach den letzten kritischen, kulturkonservativen Eröffnungsreden von Raoul Schrott und Iso Camartin.

Warum der Bachmannwettbewerb (also Klagenfurt) so geliebt wird, lässt sich auch ohne Kenntnis von Ortheils Rede sagen: Weil er so viel neue deutschsprachige Literatur präsentiert; weil er so ein schönes Literaturbetriebsspektakel ist; und weil er eine unwankbare, untötbare Institution mit vielen Ritualen ist. Eines dieser Rituale ist die Vorstellung des Wettbewerbs und seiner Kandidaten im Mai in Berlin, in Anwesenheit einer Klagenfurter Abordnung, der Jury-Vorsitzenden Iris Radisch, einem Vertreter von 3sat und einem weiteren Jury-Mitglied (dieses Mal: der staubtrockene Karl Corino). Der Unterhaltungswert dieser Veranstaltung ist wie üblich ein geringer, doch der kommende Wettbewerb verspricht hochinteressant zu werden, vorausgesetzt, die letztes Jahr etwas müde wirkende Jury spielt mit. Viele schon etablierte Autoren und Autorinnen sind im Feld der 18 dabei: die zuletzt für ihren Roman „Die Stunde zwischen Hund und Wolf“ gefeierte Silke Scheuermann, der Großlyriker Lutz Seiler, der österreichische Shootingstar Thomas Stangl, der junge Open-Mike-Gewinner Jörg Albrecht, die Suhrkamp-Autorin Jagoda Marinic oder der Lesebühnenprofi Jochen Schmidt („Triumphgemüse“, „Müller haut uns raus“).

Andere wie Martin Becker, Dieter Zwicky, Christian Bernhardt, Andrea Grill oder Milena Oda müssen sich auch im Literaturbetrieb erst noch einen Namen machen, und wieder zwei andere Autoren demonstrieren, dass sich die Klagenfurter Jury auch dem Pop gegenüber aufgeschlossen zeigt. So der Sportreporter Ronald Reng, der bei Kiwi nicht nur ein schönes Buch über den Traum- und Torhüter Lars Leese geschrieben hat, sondern auch einen manierlichen Ost-West-Roman über einen jungen, in London arbeitenden deutschen Banker, der sich in eine Frau aus der Ukraine verliebt, „Fremdgänger“.

Geradezu spektakulär ist die von Iris Radisch vorgenommene Nominierung des gelernten Popmusikers Peter Licht, nicht zuletzt da Licht gern inkognito bleibt, und das wohl auch in Klagenfurt. Licht hatte vor Jahren mit dem Song „Sonnendeck“ einen feinen Sommerhit, damals nannte er sich Meinrad Jungblut. Zuletzt veröffentlichte er das Album „Lieder vom Ende des Kapitalismus“, auf dem so schöne Liedzeilen sind wie „Das absolute Glück, als der allerletzte Mensch an der Rampe zu stehen“ oder „Wer sich schneller entspannt, ist besser als jemand, der sich nicht so schnell entspannt, der aber immer noch besser ist als jemand, der sich überhaupt nicht entspannt und eigentlich ja schon tot ist, da kann man nichts machen“. Denkt man allerdings an den eher unglücklichen Klagenfurt-Auftritt des Popmusiker Kristof Schreuf im Jahr 2004, ist wohl auch bei Licht Skepsis angebracht.

Am Ende ist es natürlich der Text, der die Party schmeißt, um es mit Schreuf zu sagen, und dann kommt ja noch die Jury. Diese ließ letztes Jahr etwa die hervorragende Short Story von Clemens Meyer einfach leer ausgehen. Aber auch die Unberechenbarkeit der Jury ist ein Grund dafür, dass KIagenfurt so geliebt wird.

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