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Kultur: Erich Hackl dokumentiert ein Schicksal

Ob es während des Spanischen Bürgerkrieges von 1936-39 Liebesbeziehungen zwischen Spanierinnen und österreichischen Freiwilligen, die gegen die fachistischen Franco-Putschisten kämpften, gegeben habe? Auf diese Frage Erich Hackls hin griff der Wiener Historiker Hans Landauer, selbst ein ehemaliger Interbrigadist, einen Ordner und entnahm ihm eine Kopie: Es war die Heiratsurkunde zwischen Karl Sequenz und Herminia Perpiná.

Ob es während des Spanischen Bürgerkrieges von 1936-39 Liebesbeziehungen zwischen Spanierinnen und österreichischen Freiwilligen, die gegen die fachistischen Franco-Putschisten kämpften, gegeben habe? Auf diese Frage Erich Hackls hin griff der Wiener Historiker Hans Landauer, selbst ein ehemaliger Interbrigadist, einen Ordner und entnahm ihm eine Kopie: Es war die Heiratsurkunde zwischen Karl Sequenz und Herminia Perpiná.

Als im Januar 1937 in Valencia die spanische Krankenschwester den Saal betrat, in dem der Österreicher Karl Sequenz mit einem Oberschenkeldurchschuß lag, war es Liebe auf den ersten Blick. Drei Wochen später wurden die Eheringe getauscht.

Erich Hackl begab sich auf die Suche nach Lebensspuren: Er fand ehemalige Interbrigadisten, Fotos, Briefe - und Rosa Maria, die heute in Wien lebende Tochter von Karl und Herminia Sequenz. Der jungen Familie war im Spanischen Bürgerkrieg wenig gemeinsame Zeit miteinander beschieden: Als die Republik Ende 1938 den Franco-Truppen zu unterliegen begann, trafen sie sich zum letzten Mal Anfang Januar 1939 in Gerona. Herminia und Karl Sequenz flüchteten danach nach Frankreich, wo Herminia und Rosa Maria in der Normandie unterkamen, wo Karl jedoch den Fehler beging, sich repatriieren zu lassen. Statt der in Aussicht gestellten Arbeit oder des Kriegsdienstes nach ein "paar Wochen Umerziehung" erwartete ihn das KZ: in Dachau, Lublin und Auschwitz. Von dort aus schreibt er seiner Frau drei Briefe, anrührende Dokumente der Hoffnung auf ein neues gemeinsames Leben. Bei Kriegsende verliert sich seine Spur im thüringischen Lager Dora Mittelbau.

Aufgezeichnet in karger Sprache, läßt Erich Hackl in seiner dokumentarischen Erzählung "Entwurf einer Liebe auf den ersten Blick" die überlieferten Tatsachen weitgehend für sich selbst sprechen. Und wo er Fiktion und ästhetische Ausschmückung hinzufügt, da gibt er es zu erkennen. Diese Kargheit steigert die Wirkung der Tatsachen.

Nach Kriegsende verweigerten die deutschen Behörden Mutter und Tochter jede Entschädigung, da "bei einem Rotspanienkämpfer, der aus Sicherheitsgründen in ein KZ verbracht wurde, die Gegnerschaft zum Nationalsozialismus nicht nachgewiesen werden" könne.Erich Hackl: Entwurf einer Liebe auf den ersten Blick. Diogenes Verlag, Zürich 1999. 80 Seiten, 22,90 Mark.

Stephan Reinhardt

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