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Friedrich der Große: Jedem seinen König

Ob Zinnfigur, Statuette oder Werbe-Ikone: Der Preußenkönig war im Alltag schon immer präsent – bis heute. Das Deutsche Historische Museum widmet ihm eine Ausstellung.

Wie Widergänger wandeln sie am Berliner Brandenburger Tor oder im Park von Schloss Sanssouci in Potsdam herum. Sie tragen einen blauen Rock mit roten Umschlägen, die graue Lockenperücke wird von einem Dreispitz bekrönt, im Gesicht klebt eine knollige Nase. Die Männer schlüpfen in die Rolle von Friedrich dem Großen. Sie warten auf Touristen, Fotoapparate, Kleingeld. Doch wer glaubt, dass das die einzige Möglichkeit ist, dem Alten Fritz im Alltag zu begegnen, der irrt. Erst im vergangenen Jahr landete eine ganz possierliche Version des Monarchen in den Regalen der Spielzeugläden: 40 Zentimeter groß, mit einer plüschigen Nase und weichem Fell: Steiff hat einen Friedrich-Teddy aufgelegt, Auflage 1000 Stück, ein Sammlerobjekt.

Das ist der Preußenkönig schon lange. Die Ausstellung „Friedrich der Große – verehrt. verklärt. verdammt“ im Deutschen Historischen Museum (DHM) führt die Besucher ins Kinderzimmer, an Wohnzimmer-Vitrinen und Litfasssäulen. Friedrich als Spielfigur, als Abenteuerroman-Held, als Souvenir und Werbefigur.

„Die Popularisierung begann sofort nach seinem Tod“, sagt Thomas Weißbrich, Experte für Militaria und Mitkurator der Schau, „spätestens im neuen Kaiserreich wurde er zur zentralen Identifikationsfigur.“ In Friedrich sah man den Wegbereiter des preußisch-deutschen Nationalstaats.

So tauchte Friedrich als kleine Statuette auf den bürgerlichen Schreibtischen und Kaminsimsen auf, zu Pferde oder zu Fuß. Die Qualität der Arbeiten reichte von künstlerisch wertvoll bis kitschig, von Bronze bis Porzellan. Gerne wurden diese Figürchen und Büsten auch verschenkt. In militärischen Kreisen war es bis in die 1930er Jahre üblich, dass der Regimentskommandeur Offizieren ein Miniatur-Reiterstandbild überreichte.

Auch Sammeltässchen mit dem Porträt des Königs waren als Präsent beliebt. Schon zu friderizianischen Zeiten sammelte man Tabakdosen aus Iserlohn, die fast schon industriell und in hohen Stückzahlen hergestellt wurden. Die Reliefs auf den Messingdeckeln zeigten entweder das Konterfei Friedrichs oder Szenen aus dem Siebenjährigen Krieg. Nicht zuletzt benutzte der König selbst sehr gerne diese Art von Döschen, er bewahrte darin seinen Schnupftabak auf. Wie sehr er diesen Genuss liebte, zeigt übrigens sein abgetragener Rock mit Schnäuz-Spuren. Er ist in der Ständigen Ausstellung im DHM zu sehen.

Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert wurde die Geschichte Friedrichs des Großen auch für Kinder und Jugendliche aufbereitet. Er galt als vorbildlicher Herrscher und war Held großer Abenteuerromane, die sich großer Beliebtheit erfreuten und immer wieder neu aufgelegt wurden. „Der alte Fritz in fünfzig Bildern“ richtete sich an Jugendliche und Erwachsene. Kaiser Wilhelm II. höchstpersönlich hatte diesen Bildband in Auftrag gegeben, der „die große Zeit der friderizianischen Epoche dem modernen Geschlechte wieder lebendig vor Augen“ führen sollte. Die großformatigen Lithographien zeigten Kriegsszenen, Alltägliches und immer wieder die sympathische Volksnähe des Monarchen. Mindestens genauso gern gelesen wurde der bereits 1840 erschienene Band „Geschichte Friedrichs des Grossen“ von Franz Kugler mit Illustrationen von Adolph Menzel.

Zinnfigur und Schokoladenkönig

Auch in Kartenquartetten und geschichtlichen Fragespielen tauchte Friedrich als Vorbild auf. Kleinen Jungen konnten die Schlachten des Feldherrn mit ihren Zinnfigürchen nachspielen. Der König war nach Napoleon die am häufigsten dargestellte Herrscherfigur aus Zinn. Mehr als 160 unterschiedliche Typen von flachen und plastischen Figuren haben die Experten des DHM ermittelt. Bis in die 1930er Jahre hinein wurden sie produziert – wobei sie sich vom Kinderspielzeug zum Sammelobjekt entwickelten.

Aber würde man Friedrich mit Schokoladen, Pralinen, Marzipan und Likörchen in Verbindung bringen? Der Berliner Süßigkeitenhersteller Sarotti tat es. Um 1900 legte er seinen Produkten Sammelbilder bei, die man in ein Album einkleben konnte. So wie heute Fußballstars ins Panini-Heft. Eine Serie hieß „Wahlsprüche der Hohenzollern“ und beinhaltete eine Reihe von idealisierten Portraits der Preußen-Familie, darunter auch vom Alten Fritz. Und freilich durfte eines seiner berühmtesten Bonmots nicht fehlen: „In meinem Lande soll jeder nach seiner Façon selig werden“, stand unter der Darstellung.

In den 30er Jahren machten Zigarettenfirmen die Idee nach und lockten ebenfalls mit bunten Glanzbildchen die Käufer – wobei sicherlich häufig auch deren Kinder den entscheidenden Impuls gaben, nach einem neuen Päckchen zu greifen. Was wohl für ein Motiv darin versteckt sein mochte? Die Spannung war groß. „Friedrich und seine Lebensgeschichte war bei den meisten Serien dabei“, weiß Thomas Weißbrich. Die Berliner Tabakfabrik von Josef Garbárty gab ein Album mit 250 Bildern zu „Geschichten vom Alten Fritz“ heraus. Sie zeigten den Kronprinz beim gemeinsamen Musizieren auf Schloss Rheinsberg, seine Bibliothek mit dem von ihm verehrten Voltaire-Porträt und sich drehend und verbeugend auf Bällen. Die Bildunterschrift beschrieb ihn als einen der besten Tänzer der Hofgesellschaft. „Er tanzt schön, mit Leichtigkeit und Grazie“, sollen die Damen seiner Zeit geurteilt haben. Die Kärtchen waren häufig an frühere Darstellungen Friedrichs angelehnt, so dass sich auch nur ein bestimmter Bilderkanon verbreitete. Man schwelgte in nostalgischer Verehrung.

Doch nutzte man die Aktion auch für nationalsozialistische Propaganda. Unter dem letzten Bild der Sammelreihe, auf der die Gruft des Alten Fritz zu sehen ist, steht: „Es mussten erst fast anderthalb Jahrhunderte vergehen, bis der Sinn und der Inhalt dieses großen Herrscherlebens, dass auch der Größte seinem Staate zu dienen habe, sich neu erfüllte. Das geschah am 31. März 1933.“ An diesem Tag trat das Erste Gleichschaltungsgesetz in Kraft, bei dem die Landtage ihre Souveränität verloren.

Würde man heute einen König per Post verschicken?

Auch die Dresdner Tabakfabrik „Sturm“, die mit ihren Gewinnen die SA mitfinanzierte, gab 240 Motive zur Armee Friedrichs des Großen heraus, entworfen von dem damals renommierten Uniformmaler Herbert Knötel d. J. Im Vorwort des Albums hieß es: „Und jedes Bildchen, das wir bei unserem täglichen Einkauf finden, wird uns eine Mahnung an den Großen König sein.“ Das Ritual des Sammelns eignete sich auf beste Weise, das zeitgemäße Geschichtsbild zu festigen.

Gerne wurde Friedrich auch per Post verschickt. Historiker Weißbrich hat zahlreiche Postkarten zusammengetragen, die den König mal als Schlachtenlenker, mal im schneidigen Halbprofil zeigen. Ein geläufiges Motiv war außerdem das Reiterstandbild des Alten Fritz von Christian Daniel Rauch Unter den Linden. Würde man dieses heute an die Daheimgebliebenen senden? Um die Jahrhundertwende gehörte das Denkmal offensichtlich zu den markantesten Punkten im Berliner Stadtbild.

Friedrich taugte sogar als Werbefigur: Sollte er im ausgehenden 19. Jahrhundert noch den Absatz von Alkohol und Tabak ankurbeln, wurde er in der Weimarer Republik für parteipolitische Werbung aller Couleur benutzt, was seine hohe Popularität beweist. Der Preußenkönig stand für Autorität und Stärke. Die Deutsche Staatspartei druckte ein Friedrich-Zitat auf ihr Plakat: „Ich bin es müde über Sklaven zu herrschen.“ Wobei das so eine Sache sei mit den geflügelten Worten beim Preußenkönig, sagt Historiker Weißbrich: „Viele kann man ihm zuschreiben, viele aber auch nicht.“

Und was gibt es heute? Korkenzieher in Gestalt des Königs und Quietsche-Enten für die Badewanne. Onlinespiele im Internet und ein strategische Karten-Brettspiel zum Siebenjährigen Krieg, bei denen die Spieler in die Rollen der einzelnen Kriegsteilnehmer schlüpfen und Friedrichs II. gegen die Zarin Elisabeth I., Kaiserin Maria Theresia und Madame Pompadour antritt.

Doch warum eignet sich der Alte Fritz so gut für den Alltagsgebrauch? Warum hat er sich so früh als Marke herausgebildet? „Das liegt wahrscheinlich am Facettenreichtum seiner Biografie“, vermutet Historiker Weißbrich. Mit Friedrichs Person könne man eben viele verschiedene Geschichten erzählen, vom musischen Herrscher, vom Komponisten und Flötenspieler, vom Feldherren über den sparsamen Haushälter bis hin zum fürsorglichen Landesvater und Aufklärer. „Mit dem Preußenkönig können sich die verschiedensten Gruppen identifizieren.“ Günstig ausgewirkt hat sich wohl auch sein hoher Wiedererkennungswert. Zwar habe Friedrich Malern nicht gerne Modell gestanden, erzählt Weißbrich, historisch verbriefte Porträts, wie der Herrscher tatsächlich ausgesehen habe, gibt es nur wenige. Dennoch war sein Äußeres markant: Die großen Augen und große Nase. Die blaue Uniform mit den roten Ärmelaufschlägen, der Dreispitz auf dem Kopf. All das, was sich die Touristenfänger heute auch noch zu Nutze machen.

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