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Szene aus "German Angst".

© drop-out cinema

"German Angst" bei den Fantasy Filmfest Nights: Fear and Loathing in Berlin

Muffiger und miefiger Body Horror. Das erwartet die Zuschauer bei den Berliner Fantasy Filmfest Nights. Den größten Gruselgenuss bereitet dabei Jörg Buttgereits „German Angst“.

Seit über 20 Jahren hat Jörg Buttgereit keinen Langfilm mehr gedreht. Stattdessen schrieb er Hörspiele, Filmkritiken und Bücher, zeichnete eigene Off-Theaterinszenierungen auf und gestaltete Musikvideos. Alles schön und gut, aber seine Fans sehnten sich vor allem nach einem schmuddeligen No-Budget-Horrorfilm. Jetzt haben sie ihn: „Final Girl“, kaum eine halbe Stunde lang, ist Teil des Episodenfilms „German Angst“, der unlängst beim Filmfest Rotterdam uraufgeführt wurde. Dort haben manche Zuschauer bald die Flucht ergriffen. Die Besucher der Berliner Fantasy Filmfest Nights wissen wohl eher, was sie erwartet: Body Horror. Nur wirkt der, anders als etwa bei Darren Aronofsky, bei Buttgereit nicht glamourös, sondern miefig und muffig.

Das ist nicht fein anzusehen. Eklig ein pilzbefallener Zehennagel in extremer Nahaufnahme, ein rostiger Wasserhahn – und sogar die putzigen Meerschweinchen, die der Protagonistin arg nahe kommen. Eklig auch die Wohnung, in der der Film spielt, bloß raus hier oder wenigstens das Fenster auf. Aber Buttgereit kennt keine Gnade. Das „Final Girl“ hat etwas von Natascha Kampusch oder könnte auch eine Tochter von Josef Fritzl sein. Was, wenn eines dieser eingesperrten, geschändeten Mädchen sich rabiat zur Wehr gesetzt hätte – mit einer Küchenschere, die eigentlich für die Weihnachtsgans gedacht war, und anschließend mit dem Elektromesser? Buttgereits Blick bleibt kühl und distanziert. Stilistisch ist „Final Girl“ weniger ein Horrorfilm denn ein Sozialdrama, in dem besonders hässliche Dinge geschehen.

Den größten Gruselgenuss bereitet „German Angst“

Episodenfilme kranken oft am Qualitätsgefälle zwischen ihren Einzelelementen; dieser ist eine rühmliche Ausnahme. Michal Kosakowskis „Make a Wish“ handelt, 1943 und in der Gegenwart, von deutschen Nazis, die wehrlose Polen überfallen. Das Amulett eines polnischen Mädchens verspricht Rettung, mit seiner Hilfe kann die Seele eines Opfers in den Körper des Täters fahren, aber diese Erlösungsfantasie verweigert der Regisseur dem Publikum. Andreas Marschalls „Alraune“ schließlich ist eine knallbunte, sexuell explizitere Variante von Stanley Kubricks „Eyes Wide Shut“: Ein Mann gesteht seiner Partnerin, dass er einem Satanisten-Club beigetreten ist.

Besonders „German“ allerdings ist die in dieser Trilogie regierende Angst nicht gerade, auch wenn eine Diskothek schon mal Mabuse-Club heißt. Marschalls Vorbilder sind nicht Fritz Lang oder die Edgar-Wallace-Filme, sondern Horrormeister wie Dario Argento. Mitte Mai erscheint die DVD mit einem Booklet des Filmwissenschaftlers Marcus Stiglegger. Den größten Gruselgenuss aber bereitet „German Angst“ auf der großen Leinwand, im Kreis von Gleichgesinnten.

Weitere Highlights der Fantasy Filmfest Nights

Zu den weiteren Highlights des Festivals gehört Ana Lily Amirpours „A Girl Walks Home Alone at Night“, angekündigt als der erste iranische Vampirfilm. Tatsächlich haben ihn Exil-Iraner in Südkalifornien gedreht. In stilvollem Schwarz-Weiß setzt die junge Regisseurin Rachefantasien um: Frauen beißen zurück, und nur anständige Männer, es sind wenige, bleiben verschont. Gabe Ibanez' „Automata“ prunkt seinerseits mit Stars: Antonio Banderas spielt einen grüblerischen Versicherungsagenten, der Roboter überprüft, und einem der Roboter leiht Javier Bardem die Stimme.

Ganz ohne bekannte Namen kommt Alberto Rodriguez' „Marshland" aus, in dem ein Mädchenmörder Angst und Schrecken verbreitet. Die Ermittler, ewiggestrige Franco-Anhänger und Sozialisten, sind eher am ideologischen Streit interessiert. Das geht bald unter die Haut wie Buttgeereits Elektromesser. Nur subtiler.

21. und 22. März im Cinestar SonyCenter. Details: www.fantasyfilmfest.com

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