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Billie Joe Armstrong von Green Day in Berlin.

© DAVIDS/David Darmer

Green Day live in Berlin: Kenne deinen Feind

Polit-Punks: Green Day spielen in Berlin eine energetische Rockshow – und motzen gegen Trump.

Es war abzusehen, dass so etwas kommen würde in der Woche, in der Donald Trump ins Präsidentenamt eingeführt wird. Das lauteste Statement von Green Day war am Montag ein Musikvideo, das sie auf ihrer Website veröffentlichten. Der Song, eine Single vom aktuellen Album „Revolution Radio“, heißt „Troubled Times“.

Der Clip dazu ist eine kaum verhohlene Attacke auf Trump, der Text in scharfen Worten formuliert: „What good is love and peace on earth? When it’s exclusive“, fragen sie darin etwa. Umso überraschender ist es, dass die Band das Stück beim Konzert in Berlin nicht spielt, zumal am Vorabend der Inauguration.

Aber Green Day sind nicht umsonst die wichtigsten Vertreter des Punk-Revivals der frühen 90er Jahre, zu denen auch Bands wie The Offspring und Blink 182 gehörten. Und deshalb hatten sie natürlich auch in der Arena am Ostbahnhof etwas zu sagen. Frontmann Billy Joe Armstrong brüllt seine Botschaft schon nach dem vierten Song heraus: „No Trump, no war, no fascism, no Trump!“ Dabei leuchtet er mit einem Scheinwerfer in die Gesichter des Publikums, was nach einer Weile richtig bedrohlich wirkt. Die Korruption reiche bis in die Fingerspitzen, ruft Armstrong. Konkreter wird er nicht, er belässt es bei solchen Vorwurfsfetzen, die er immer wieder in das zweistündige Konzert einstreut.

Die Band hat Bernie Sanders unterstützt

Der Rest geht über die Musik, in die Green Day ohnehin reichlich politische Botschaften eingebaut haben. Daran lässt bereits der Opener „Know Your Enemy“ keinen Zweifel. Im Laufe des Abends folgen noch „Holiday“ und „American Idiot“ vom gleichnamigen Album aus dem Jahr 2004. Beide Stücke setzen sich kritisch mit dem Konservatismus der Amerikaner und der Politik George W. Bushs auseinander. Green Day hatten Bush damals ebenso heftig kritisiert wie heute Trump – 2008 unterstützten sie die Kandidatur Barack Obamas. Im Wahlkampf 2016 stand die kalifornische Band auf der Seite von Bernie Sanders.

Es hätte also ein ziemlich ernsthafter Abend sein können, wären da nicht die diversen Albernheiten, mit der die Band ihr Programm immer wieder durchbricht. Noch bevor das Trio auf die Bühne tritt, heizt ein Typ im rosa Plüschhasenkostüm der Menge ein, indem er sich selbst den puschelschwänzigen Hintern versohlt. Die Band kommt zur „Spiel mir das Lied vom Tod“-Melodie herein, was reichlich abgegriffen wirkt.

Ein Fan darf mitspielen - Armstrong schenkt ihm eine Gitarre

Armstrong schießt mit einer speziellen Kanone T-Shirts ins Publikum, bespritzt die vorderen Zuschauerreihen mit einem Gartenschlauch, irgendwann setzt er eine Kapitänsmütze auf, während Bassist Mike Dirnt sich als Cowboy verkleidet und Tour-Saxofonist Jason Freese eine Nofretete-Maske trägt. Das ist ziemlich schräg, aber das Publikum steht drauf. Irgendwann holt Armstrong einen Fan auf die Bühne, zeigt ihm die drei wichtigsten Powerchords und lässt ihn die Gitarre spielen. Am Ende schenkt er ihm die Gibson Les Paul. Vielleicht hat er damit ja den Grundstein für eine Punk-Band der nächsten Generation gelegt.

"Basket Case" wird lustlos runtergeschrubbt

Armstrong hat die Menge im Griff. Er brüllt, er springt und tanzt und sieht dabei immer noch so aus, als sei es 1999 und er nicht schon 42. Auch dass er vor wenigen Jahren einen Drogenentzug hinter sich brachte, merkt man ihm nicht an. Am auffälligsten ist seine Power, wenn die Instrumente kurz aussetzen und er für ein paar Takte mit seiner Stimme allein ist. Wenn er nicht gegen die eigene, dauerverzerrte Gitarre ankämpft, wird deutlich, wie gut der Mann singen kann. Deshalb wird auch der Abschlusssong besonders stark. Es ist der Akustik-Punk-Klassiker „Good Riddance“, der besonders für die älteren Fans fast so unverzichtbar auf einem Green-Day-Konzert ist wie „Basket Case“ vom 1994 erschienenen Album „Dookie“. Dieses brachte der Band erstmals größeren internationalen Erfolg ein. Seitdem darf „Basket Case“ bei keinem Auftritt fehlen, hört sich an diesem Abend allerdings auch dementsprechend lustlos und routiniert an.

Knaller, Flammenfontänen und Funkenregen

Gut für den Sound ist die Unterstützung durch Tourgitarrist Jason White, der die Band seit 1999 live und seit 2012 auch im Studio unterstützt, aber immer noch nicht als festes Bandmitglied gezählt wird. Die zweite Gitarre gibt Frontmann Armstrong die Freiheit, zwischendurch immer wieder das Instrument an die Seite zu legen und noch wilder über die Bühne zu sprinten.

Darin liegt einerseits die Stärke der Band, andererseits geht etwas verloren: Green Day haben gelernt, fette Shows zu spielen. Allein der Riesenbanner, der die Bühnenrückseite bedeckt, wird dreimal ausgetauscht. Die Bandmitglieder spielen teils auf golden ausgeleuchteten Podesten, es gibt Knaller, Flammenfontänen und Funkenregen. Für ein Glamrock- Konzert wäre das eine solide Vorstellung, mit Punk hat das allerdings nicht mehr viel zu tun. Vielleicht ist es auch einfach unmöglich, eine Punk-Show unter einem überdimensionierten Mercedes-Stern zu spielen. Andererseits ist es nur konsequent und ihr gutes Recht, dass diejenigen, die den Punkrock einst wiederbelebt haben, ihn nun selbst abfackeln.

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