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Einfach währt am längsten. Hans Krüger mit der berühmten Knallerbsenzange in seinem Atelier in Prenzlauer Berg.

© Doris Spiekermann-Klaas

Hans Krüger im Porträt: Knallbumm im Kopf

Der Berliner Komiker und Puppenspieler Hans Krüger schwört auf Holzfeuerwerk. Er baut sich seine intelligenten Kracher und Lacher selbst – nicht nur zu Silvester.

Die Knallerbse ist schuld. Jahrelang schlummerte das einst auf dem Flohmarkt entdeckte Rätselgerät in einer Schublade in Hans Krügers Werkstatt. Ab und an hat er sie herausgeholt, die Aluminiumgriffe zusammengedrückt. Gestaunt, wie die an einen vertikalen Jägerzaun erinnernde Zange ausfährt. Überlegt, was die wackeligen Halter am Ende wohl greifen könnten. Ein ums andere Mal hat er keinen Sinn erkannt, keinen Zweck entdeckt, aber die Scherenzange mit wissendem Künstlerblick für ebenso kurios wie bemerkenswert gefunden.

Irgendwann, vor schätzungsweise sieben Jahren, hat es dann plötzlich Klick im Kopf des Komödianten gemacht. Gerät? Zange? Nö. Eine Erbse ist das. Eine Knallerbse. Der kleinste einer inzwischen einen Überseekoffer füllenden Batterie von Feuerwerkskörpern, die der Puppenspieler Hans Krüger seines Wissens weltexklusiv erfunden hat. Wer sagt denn schließlich, dass Donnerschläge und Raketen immer knallen, stinken und zischen müssen? Hans Krügers Sonnen, Spiralnebel, Schlangen, Wirbel und Tornados bestehen allesamt aus nicht explosivem Holz. Sie leuchten nur, weil sie mit fluoreszierender Farbe bestrichen sind und zünden trotzdem wie verrückt.

Klar, erst schauen die Leute, wenn der laut krakeelende Mann mit der Pilotenmütze und dem Ringelhemd damit die Bühne betritt. Doch kaum fängt er an, die in verschieden lang ausfahrbaren und zu Spiralen und Kreisen formbaren Zangen auszufahren, geht es los. Die Menschen schütten sich aus vor Staunen und Lachen. „Rakete!“ schreit Krüger, „Oh“ und „Ah“ schreit das Publikum, sie heben die Arme, springen von den Sitzen. Es ist ein mit einfachsten Mitteln erzeugter, verblüffender Effekt. Der Sieg der Fantasie über raffinierte Pyrotechnik und hochgezüchtete Spezialeffekte.

Der große Zampano ist privat überraschend zurückhaltend

Das funktioniert nicht nur im Leipziger Krystallpalast, wo Hans Krüger am Silvesterabend ein vierwöchiges Gastspiel beendet, sondern auch in den Berliner Freiluftarenen Wuhlheide und Waldbühne. Da haben Tausende den Komiker als Gast in Rainald Grebes „Halleluja“-Shows erlebt. Und spätestens da kam die Frage auf: Wer in aller Welt ist dieser geniale, kindliche Komödiant?

Ein düsterer Dezembernachmittag in Prenzlauer Berg. Im Hinterhaus öffnet Hans Krüger die Wohnungstür und sieht überraschend zierlich und zurückhaltend aus. Wo er doch auf der Bühne der reinste Zampano ist! Dass der 1948 geborene Künstler eine Schlosserlehre absolviert hat, leuchtet angesichts seiner mit Theaterdevotionalien und Bastelkram aller Art gefüllten und mit Malereien geschmückten Werkstatt gleich ein. Und die über eine Wendeltreppe erreichbare Wohnstube obendrüber sieht nicht weniger wundersam aus. Da baumelt das eine oder andere für ein Stück gebaute Fabelwesen von der Decke.

Hans Krüger ist studierter Puppenspieler, ausgebildet an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch, wo er als Dozent für Puppenspiel dann wiederum den Kabarettisten Rainald Grebe und auch den Comedian Michael Hatzius unterrichtete, der es mit der Figur „Die Echse“ zu einer eigenen Fernsehshow im ARD-Fernsehen gebracht hat. Ihn berät er auch künstlerisch.

Ein Mann der einfachen, groben Mittel

Hans Krüger pflegt ein gebrochenes Verhältnis zum Ruhm, wie zu den Puppen. Auch nach so vielen Jahrzehnten spürt er vor jedem Auftritt eine unbestimmte Schwellenangst. Marionetten langweilen ihn genauso wie bestimmte Regeln. Nicht auf der Bühne lachen, nie aus der Bühnenfigur aussteigen, nicht hölzeln, also lispeln – solche ungeschriebenen Gesetze sind für ihn nur eins: Blödsinn. „Andere Schauspieler halten das für unter ihrer Würde, ich setze mich über diese Profigesetze hinweg.“ Er ist ein Mann der einfachen, groben Mittel. „Werdet wie die Kinder, sage ich immer zu den Leuten, genauso hat das ja auch Jesus gesehen.“ In Hans Krügers Lesart heißt das: Werde zur Knallcharge, wenn es dir den Weg in die Herzen des Publikums bahnt.

Und genau das ist die Methode, nach der das Holzfeuerwerk und seine anderen Nummern funktionieren. Abgesehen von einer taubstummen Ratte übrigens meist ohne Puppen. Hans Krüger steckt eine Hand in die Stoffratte, lässt sie kurz schnüffeln „Möff, möff“ und wirft sie wieder weg. Auch in diesem Punkt ist er ein Unikum. „Ich bin ein Puppenspieler, den die Puppen bei der Arbeit stören.“ Anders als seine hölzernen Raketen. Sie sind genau die Art von Material, die er für seine Variante des Objekttheaters braucht. Reine Schauspielerei wiederum ist ihm zu pur. Genau wie wirkliches Feuerwerk. „Das ist langweilig, das löst gar nichts bei mir aus.“ Und warum dann das Holzfeuerwerk? „Weil es absurd, ja weil es totaler Quatsch ist.“ Ein subversives Element, das die Regeln der Physik wie die der Wahrnehmung auf den Kopf stellt.

Zu DDR-Zeiten war er Teil der Künstlerbohème vom Prenzlauer Berg

Mit Subversion kennt Hans Krüger sich aus. Auch wenn er bei solchen Zuordnungen eher peinlich berührt aus der Wäsche schaut und das „schon lange keine Bedeutung mehr hat“: Zu DDR-Zeiten gehörte er zur Künstlerbohème vom Prenzlauer Berg. Im Jahr 1979 hat er das Theater Zinnober mitgegründet, die erste freie Theatergruppe der DDR, die seit 2010 in veränderter Besetzung als „Theater o. N.“ firmiert. Dieser in den achtziger Jahren landesweit populär gewordene, basisdemokratisch organisierte Haufen von Schauspielern, Puppenspielern, Regisseuren und Musikern entwickelte Schauspiel- wie Puppenspielproduktionen. „Wir wollten frei sein, keinen Autoritäten gehorchen“, sagt Hans Krüger, „das war nicht opportun“. Ein Stück wie „Die Jäger des verlorenen Verstandes“ von 1982, dessen sprödes Bühnenbild aus Blech heute in der Puppentheatersammlung Dresden steht, war seine Version eines systemkritischen Kasperletheaters.

Einen „Sonderpreis für die Weiterführung der Kaspertradition im Puppenspiel“ hat es ihm trotzdem eingebracht. Sein Vater, ein SED-Funktionär, den Hans Krüger seinen persönlichen Tyrannen nennt, war weniger erfreut. Inzwischen sind die beiden längst Geschichte – der übermächtige Vater wie der übermächtige Staat und Hans Krüger fühlt sich seither deutlich freier.

Auch das Lachenmachen hat befreit. Von der therapeutischen Wirkung aufs Publikum ganz zu schweigen. „Beim Lachen wird das Zwerchfell aktiviert, der Muskel, der die Gefühle deckelt. Der Kopf ist nicht mehr abgespalten. Freude und Liebe entstehen. Das ist es, worum es mir geht.“ Also macht er Holzfeuerwerk. Dass Raketen, die weder fliegen noch explodieren, eigentlich sinnlos sind, kümmert Hans Krüger nicht. „Es gibt keinen Sinn, wieso soll ich ihn suchen“, ist sein schlagendes Argument. Späße aber, die zünden. Und sei es als komisches Kopffeuerwerk.

Nächste Auftritte in Berlin: Zebrano Theater, Club Genie und Wahnsinn, 1. Januar, 19.30 Uhr; Wühlmäuse, Blauer Montag, 6. Februar, 20 Uhr

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