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Hausbesetzung: Der Kampf um die Kunsthalle

Der Versuch einer Hausbesetzung: Wie junge Künstler und Klaus Wowereit um die Temporäre Kunsthalle kämpfen.

Es hätte so schön werden können. Kerzenlicht, Gelächter, Gläserklirren. Das kollektive Gefühl, dem System zu trotzen, Regeln aufzuweichen. Stattdessen blickt man in ratlose Gesichter, auf frierende Hände. Hört hier ein enttäuschtes „Wir haben ein Problem“, dort ein resigniertes „Das war’s dann wohl“. Der Traum 65 junger Künstler, die geschlossene Temporäre Kunsthalle zu besetzen und mit einer letzten, legendären Werkschau zu bespielen, ist gerade geplatzt.

Drei Mal war es gut gegangen. Da war die „Geist“-Ausstellung urplötzlich in verwaisten Galerien und Abrissgebäuden aufgetaucht, um genauso schnell wie spurlos wieder zu verschwinden. Diesmal war die Idee vorab in einem Blog verbreitet worden, so dass die Betreiber der Kunsthalle wenige Stunden bevor es losgehen sollte, von der nicht ganz legalen Aktion erfuhren. Jetzt stehen sie breitbeinig und kopfschüttelnd vor ihrer Halle.

Dabei wäre die Besetzung ein Denkzettel gewesen. Ein Zeichen, dass sich Berlins kreativer Nachwuchs nichts darauf einbildet, in einer „Kunsthauptstadt“ zu leben. Dass er die Vernissagen, Reden und Mottos satt hat. Dass er einen selbstregulativen Ergänzungsentwurf für den Markt will – und dafür bestimmt kein weiteres gläsernes Museum braucht.

Klaus Wowereit sieht das als Regierender Bürgermeister naturgemäß anders. Sein Plan für eine dauerhafte Kunsthalle am Humboldthafen nimmt zunehmend konkrete Formen an. Als Kultursenator in Personalunion lässt er sich nicht davon beirren, dass es bisher noch keine Investoren für seinen favorisierten Standort gibt. Auch nicht davon, dass ihm das Abgeordnetenhaus bislang bloß 600 000 Euro bewilligt hat. Erstens kann er das Geld gut für den von ihm ausgeschriebenen Wettbewerb mit dem Titel „Leistungsschau junger Kunst in Berlin“ verwenden, der bis Mitte Dezember läuft und jedem die Chance gibt, sein schönstes Bild einzusenden. Und zweitens kennt Wowereit auch andere Wege, zu bekommen, was er will. Zum Beispiel von der Deutschen Lotto- Stiftung, deren Vorsitzender er im Stiftungsrat ist und wo gestern Nachmittag über über eine Million Euro für die Kunsthalle beraten wurde. Das Ergebnis der Abstimmung über den Antrag wurde gestern jedoch noch nicht bekannt gegeben.

Und dann wäre da noch der Ort – ebenfalls am Humboldthafen – zu bezahlen, in dem die „Leistungsschau junger Kunst in Berlin“ gezeigt wird. Die Kunst braucht ja ein Dach. Am besten eins, das nett aussieht. Also hat man schnell einen Architekturwettbewerb ausgeschrieben. 21 Teilnehmer hoffen nun darauf, den Ort dafür schaffen zu dürfen. Er soll genauso lange existieren, wie darin Fotografien und Gemälde präsentiert werden. Danach wird das Haus hinfällig sein. Und baufällig. Wenig wird daran erinnern, dass hier die Testversion für eine wirkliche Kunsthalle inszeniert wurde.

Vieles wird dann auch an die Temporäre Kunsthalle am Schlossplatz erinnern, die seit Ende August leer steht. Wenigstens für sie gibt es ein Happy End. Nach ihrem hiesigen Abbau soll sie in Wien in der Nachbarschaft des Belvedere neu errichtet werden. Gründerin Coco Kühn freut das. Eigentlich gefiel ihr auch das „Geist“-Projekt: „Ich finde das Konzept sehr interessant und passend zu Berlin.“

Passend zu Berlin war dann auch, dass die „Geist“-Mitglieder ihre hängenden Köpfe wieder erhoben, als die ersten ihre Werke und Performances einfach auf einer Wiese vorführten. Um Kälte und Anordnungen zu trotzen, stürmten sie schließlich ein Bürogebäude und ließen darin Smartphones aus Eis schmelzen, Birnen sprengen und Tauben mit LED-Lichtern fliegen. Bis ein Wächter die Treppe heruntereilte und mit der Polizei drohte. Da zog man dann zum nächsten U-Bahnhof. Und machte dort weiter.

Annabelle Seubert

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