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Ene mene muh. Fatah (Fatsah Bouyahmed) reist mit seinem Rindvieh durch Frankreich.

© dpa/Alamode Film

Im Kino: "Unterwegs mit Jacqueline": Die Kuh läuft Marathon

Harmoniesüchtig: Die französische Kulturclashkomödie „Unterwegs mit Jacqueline“ schickt einen algerischen Bauern und seine Kuh auf Wanderschaft.

Schon auffällig, das derzeit so virile Interesse des französischen Kinos an der Pariser Landwirtschaftsmesse. Die von urbanen Supermarktkunden, aus denen das Kinopublikum meistens besteht, gewiss als pittoresk empfundene Agrarschau dient binnen weniger Monate bereits der zweiten Komödie als Sehnsuchtsort. Zuerst auf der Berlinale, wo „Saint Amour“ mit Gerard Dépardieu Premiere feierte. Und jetzt in einer weiteren Kreuzung aus Bauernkomödie und Roadmovie. Gerade in agrarwirtschaftlichen und politischen Krisenzeiten bewährt sich das Unterhaltungsmedium Kino offenbar als Hort des Eskapismus – Ablenkung ist ja seit jeher seine populärste Aufgabe.

Mohamed Hamidis märchenhafte Feelgood-Saga allerdings übertreibt es bei aller Warmherzigkeit etwas mit der Harmonie. Schon die Eingangsszene, die den algerischen Bauern Fatah französische Chansons trällernd beim Wässern seines der Wüste abgerungenen Gemüsegartens zeigt, wohin die Reise trotz unvermeidlicher Hindernisse geht. Immer hart am Völker und Religionen, Arm und Reich versöhnenden Kitsch entlang.

Der reine Tor ist gefeit vor der Schlechtigkeit der Welt

Das liegt auch daran, dass der franko-algerische Komiker Fatsah Bouyahmed, der am Scheiben der Dialoge beteiligt war, seinen gefühlsseligen Helden Fatah als reinen Tor anlegt. Durch seine Tier- und Menschenliebe ist Fatah auf dem Fußmarsch vom Fährhafen Marseille zur Pariser Messe vollends gefeit vor der Schlechtigkeit der Welt. Dem Wanderer und seiner Kuh fliegen die Herzen von Bäuerinnen, Zirkusleuten, depressiven Adeligen (elegant und anrührend: Lambert Wilson) und Fernsehreporterinnen gleichermaßen zu. In diesem Frankreich gibt es zwar grantige Verwandte und Bauernproteste, aber weder Araber- noch Islamfeindlichkeit.

Fast muss man den algerischstämmigen Regisseur dafür bewundern, wie unbeirrbar er an seiner mit munterem Blasmusik-Gerumpel unterlegten Vision idealer Mitmenschlichkeit festhält. Ein Impuls, der sich angesichts der Absehbarkeit des unaufhaltsam auf ein Happy End zustrebenden komödiantischen Geschehens aber bald wieder legt.

"Ich und die Kuh" ist ein französischer Filmklassiker

Die eigenwillige Reisegruppe Rindvieh und Mensch immerhin hat in Frankreich Tradition. Die gab es auch schon in dem Kriegsflüchtlingsfilm „Ich und die Kuh“ mit dem Komiker Fernandel in der Hauptrolle, wie Philippe seinen beglückten Logiergast Fatah aufklärt. Keine Ahnung, ob der seine Kuh auf der Flucht von Deutschland ins heimische Frankreich regelmäßig zu melken pflegte. Fatah jedenfalls gibt sich mit diesem nicht unwesentlichen Detail der Milchviehhaltung an keinem einzigen Tag seiner Odyssee ab. Das ist eine Tierquälerei, wie sie nur Filmkühe überleben, deren Halter noch nie in einen echten Kuhfladen getreten sind.

"Unterwegs mit Jacqueline" läuft in acht Berliner Kinos, außerdem in OmU in den Kinos Bundesplatz, Cinema Paris, Kulturbrauerei und Rollberg

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