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Märkisches Museum

© Senatsverwaltung

Märkisches Museum: Turmhoch hinaus

Entschieden: der Wettbewerb für die Erweiterung des Stadtmuseums Berlin. Insgesamt 36,4 Millionen Euro sollen Renovierung und Anbau kosten.

Das Märkische Museum in Berlin, heimelig, ein wenig schrullig und alles andere als zeitgemäß, lässt den Kuratoren nur die Chance, auszustellen, wie man 1908 Stadtgeschichte ausstellte, das heißt, die hundert Jahre alte Inszenierung ist zum eigenen Ausstellungsstück geworden.

Kein Wunder, dass die Generaldirektorin Franziska Nentwig nach Auswegen für eine kreative Museumsarbeit suchte. Der Senat hatte ein Einsehen: 36,4 Millionen Euro sind bewilligt für die drängende Renovierung des 1896–1908 von Stadtbaurat Ludwig Hoffmann errichteten Gebäudes (13 Millionen) und einen Erweiterungsbau (23,4 Millionen), für den sich das benachbarte, bis auf das Haupttreppenhaus ausgebeinte „Marinehaus“ anbot. Es wird also keinen spektakulären Neubau geben, der weithin Furore hätte machen können und das Museum mit Aplomb ins öffentliche Bewusstsein katapultiert hätte.

Der über die Straße gelegene Saalbau wurde samt zugehörigen Wohn- und Verwaltungstrakten 1908 als Gesellschaftshaus errichtet. Sein Architekt Otto Liesheim ist wohl nicht zur Unrecht in Vergessenheit geraten. Beim Marinehaus hat er alles aufgeboten, was damals in architektonisch widersprüchlicher Zeit zur Disposition stand. Renaissanceformen beim Wohnhaus, Burgenromantik mit Barockdach beim Turm, dazu aber Backsteinexpressionismus im Hof und, als modernste Zutat, die Saalfassade mit den hohen Fensterbahnen, wie sie Alfred Messel kurz zuvor aufgebracht hatte.

Diesem Bau sollten die 20 zum Wettbewerb eingeladenen Architekten moderne Ausstellungsräume abgewinnen, offene, flexibel zu bespielende Flächen für Wechselausstellungen und für die Berliner Geschichte nach 1918. Eine Ausstellungskonzeption war nicht vorgegeben: „Dauerausstellungen haben heute eine Halbwertszeit von 10 Jahren“, begründet die Direktorin den Paradigmenwechsel.

Viele Teams sahen sich durch die ehemaligen Saalfenster veranlasst, im Inneren von der Fassade zurückzuweichen. Am konsequentesten tat dies der Mailänder Mario Bellini (2. Preis), der eine Art goldenen Vorhang hinter den geöffneten Fensterbahnen in eingefrorener Bewegung wehen lässt – eine sympathische künstlerische Geste, die dem Preisgericht gleichwohl etwas modisch erschien. Viele hatten die Haus-im-Haus- Lösung angeboten, etwa Max Dudler (Berlin/Zürich, 3. Preis), der den Gesamtraum mit einer historisierenden Tonne überwölbt, die an den früheren Saal an gleicher Stelle erinnert. Eine attraktive innenräumliche Lösung, wogegen Dudler am Außenbau wieder einmal seine Vorliebe für serielle Fensterschlitze überstrapaziert.

Den ersten Preis errang das namhafte Londoner Team Stanton Williams architects. Das 1985 von Alan Stanton und Paul Williams gegründete Büro pflegt eine auf Materialwirkung setzende, moderne Architektursprache und gehört in England zu den in Museumsbau, Ausstellungsgestaltung sowie im Umgang mit Denkmalen erfahrensten Teams. Beim Marinehaus lösten sie das Problem der geschossübergreifenden Fenster durch eine Treppenzone vor den Öffnungen. Die Erhaltung und Einbeziehung des alten Treppenhauses sowie alle Möglichkeiten der Unterteilung und Trennung von Ausstellungsflächen durch die geschickte Erschließung sind weitere Vorzüge des Entwurfs. Das Dachgeschoss mit dem eindrucksvollen stählernen Dachstuhl für Werkstätten zu nutzen, ist jedoch eine vergebene Chance. Darüber ist noch mal nachzudenken.

Mit der disparaten Fassade und dem zu DDR-Zeiten gekappten Turm haben sich die Architekten allgemein schwer getan. Manche haben ihn auf den Vorkriegszustand rekonstruiert, manche nur halbherzig neu gestaltet. Bei Gerkan Marg und Partner (Hamburg) wurde der Turm einer neuapostolischen Kirche der sechziger Jahre draus, bei den Berlinern Kühn Malvezzi (Ankauf) ein Leuchtturm mit Laterne obenauf, Günter Zamp Kelp (Berlin) verkleidete ihn mit goldeloxierten Dreiecksplatten, und Ortner und Ortner (Wien/Berlin) stülpten dem Turm eine Glasrasterhaube über. Manche haben ihn in Formen der klassischen Moderne neu aufgeführt (wobei nur Klaus Block so konsequent war, den dabei störenden Rundbogen im Erdgeschoss zu begradigen).

Der Wiener Heinz Tesar überwarf gleich dem ganzen Haus den Mantel der klassischen weißen Moderne, tastete aber kurioserweise die Rundbogen im Erdgeschoss nicht an. Diese radikale Metamorphose gelang noch am überzeugendsten dem Münsteraner Dieter G. Baumewerd.

Vielleicht fällt den Gewinnern des Wettbewerbs noch eine überzeugendere formale Lösung für den Turm ein. Die heroische Ästhetik in der Manier des Bewag-Architekten Hans Heinrich Müller erscheint deplatziert, der gläserne Turmkopf, als Aussichtspunkt für die Besucher zwar willkommen, wirkt jedoch monströs, auch wenn die Basler Stararchitekten Herzog und de Meuron dieses Motiv hoffähig gemacht haben. Im Übrigen scheinen die Zeichen für eine gedeihliche Weiterentwicklung des Siegerentwurfs günstig zu stehen.

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