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Kultur: Papa ante portas

Inszeniert Frank Castorf in Bayreuth den „Ring“?

Am Montag eröffnen die Bayreuther Festspiele mit einem neuen „Tannhäuser“ (Tsp vom 20. Juli). Regie führt Sebastian Baumgarten, der seine Ästhetik wesentlich der Berliner Volksbühne verdankt, für die Dramaturgie zeichnet der Volksbühnen-Vordenker und langjährige Schlingensief-Adlatus Carl Hegemann verantwortlich. Christoph Schlingensief, heißt es, schwebe wie ein Geist über den Wassern dieser Aufführung. Schlingensief erlitt 2004 mit seiner „Parsifal“-Inszenierung ein Bayreuth-Trauma, das er wenig später wiederum in Kunst, in Theater aufzuheben suchte. Wo? An der Volksbühne natürlich. Viele Wege führen offenbar an den Rosa-Luxemburg-Platz – und von diesem hinaus in die Welt.

Wenn es stimmt, was in der Gerüchteküche gart, dass nämlich Volksbühnen- Chef Frank Castorf den Bayreuther Jubiläums-„Ring“ 2013 inszenieren soll, dann ist das einerseits, siehe oben, nur logisch. Die Söhne und Enkel haben den Boden bereitet, jetzt kommt Papa persönlich. Andererseits dürfte Castorf dank seiner eher unlustigen Opernerfahrung (ein „Otello“ in Basel, eine Version der „Meistersinger“ in Luxemburg) einer der wenigen sein, die sich überhaupt trauen. Die Zeit ist extrem knapp, diesen Herbst bereits fangen die Werkstätten an zu bauen, Vorproben gibt es ab Sommer 2012 – und woher eigentlich ein Regie-Konzept nehmen, wenn nicht stehlen? Nebst Chuzpe und Coolness wird hier eine tiefe Trick- und Mottenkiste gebraucht. Über die Frank Castorf zweifellos verfügt.

Am Montag müssen die Festspiele bekannt geben, wer der neue „Ring“-Regisseur ist. Alles andere wäre unglaubwürdig, ja absurd. Zuletzt waren, einigermaßen spektakulär, die Vertragsverhandlungen mit Wim Wenders geplatzt, man konnte sich über die Filmrechte nicht einigen. Vor und nach Wenders gab es niemanden, der nicht gefragt worden wäre, von Michael Haneke bis Tom Tykwer, von Florian Henckel von Donnersmarck bis hin zu diversen Kollektivlösungen – eine hässliche, das Renommee der Festspiele beschädigende Hängepartie.

Und doch: Was für ein Symptom! Ist es so unattraktiv (geworden), auf dem Grünen Hügel zu arbeiten, dass man Neuinszenierungen wie sauer Bier anbietet? Sind die traditionell niedrigen Gagen und straffen Arbeitsbedingungen daran schuld, ist’s die neue Macht der Gewerkschaften? Oder ist der „Ring des Nibelungen“ ganz einfach ausinterpretiert, haben wir nichts mehr dazu zu sagen? Unter Wolfgang Wagner wäre es zu solchen Fragen nicht gekommen: Ritual bleibt Ritual, da gilt kein Schwächeln! Seine Töchter Festspielleiterinnen sehen das nicht ganz so existenziell. Während Eva wie gehabt im Hintergrund werkelt, experimentiert Katharina mit einem „Ring“ light im fernen Buenos Aires. So gesehen, wäre Frank Castorf sicher die passende Wahl: ein bisschen verblichener Glanz einer ehedem großen Marke, das richtige Etikett – schon hält die Bastion Bayreuth wieder für ein paar Jahre. Gut zu wissen auch, dass Castorfs Volksbühnen-Vertrag just im Sommer 2013 endet. Tsp

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