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Philosophische Zeitschriften: Voller Fehl und ohne Adel

Was hat Philosophie im Fernsehen verloren? Zwischen Peter Sloterdijk und Richard David Precht klafft ein Abgrund. Birgit Recki hat für den "Merkur" in ihn hineingeblickt

Von Gregor Dotzauer

Verglichen mit Peter Sloterdijk, seinem Vorgänger im Amt des deutschen Fernsehphilosophen, ist er ein leichter Gegner. Kein Experte des Allgemeinen, was auch schon seine Tücken hätte, sondern ein omnipräsenter Allgemeinexperte, der jedes Thema wegmoderieren kann. Richard David Precht ist die eloquente Rache der Mediengesellschaft an einer universitären Disziplin, deren Vertreter nur zum geringsten Teil den Stift so halten können, dass ein prägnanter deutscher Satz dabei herauskommt. Insofern trägt die Zunft eine Mitschuld an Weichspültheorien. Oder machen sie allzu komplexe Sachverhalte sprachlos?

Was auf der Website zum Fernsehdialog „Precht“ (precht.zdf.de) neben Archivsendungen unter dem Stichwort „Mitreden“ zu lesen ist, gehorcht genau jener Meinungswut, die das Gegenteil der von Birgit Recki im „Merkur“ (Dezember 2012, 12 €) vorgetragenen Überzeugung ist, „dass Philosophie stets mit der Qualifikation von Ansichten und Positionen durch Argumente zu tun hat und dass Argumentieren im Beibringen einsichtiger Gründe besteht“. Die Beiträge sprechen also gegen den Erfolg des Modells Precht im Sinne einer Erziehung zu denkerischer Disziplin.

In ihrer Philosophiekolumne mit Essaylänge (einzeln für 2 € unter volltext.online-merkur.de) leistet die Hamburger Professorin eine Abrechnung mit Precht, die wenig originell wäre, wenn sie nicht das schwungvolle Finale eines beispielhaft dichten Nachdenkens darüber wäre, ob und wie sich Philosophie überhaupt vermitteln lässt. Die Stoßrichtung ist medienkritisch: Mit dem „Philosophie Magazin“ (philomag.de), dem deutschen Ableger des französischen „Philosophie Magazine“ (www.philomag.com), geht sie gleichfalls hart ins Gericht. Insbesondere die Kolumne „Die Kunst, immer recht zu behalten“ ist ihr ein Gräuel, weil sie „den Leser in schlechtester sophistischer Tradition mit Techniken (,Kniffen’) auszustatten beansprucht“, die nur auf eine momentane rhetorische Überlegenheit zielen.

Reckis Ansatz aber gilt der Frage, in welchem Maß sich Wahrheit, diese Begriffssonne der Philosophie, kommunizieren lässt. Und konkurriert der Anspruch auf allgemeine Mitteilbarkeit eines als wahr erkannten Gedankens nicht stets mit der Möglichkeit, der virtuosen „Darstellung von Autorität und Prestige“ zu dienen? In diesem Zusammenhang ist ihr der „Altherrenverein“ des vormaligen „Philosophischen Quartetts“ mit Sloterdijk und Rüdiger Safranski verdächtig.

Treffend auch ihr Hinweis, „dass nicht jede Frage per se schon eine philosophische ist“, obwohl die Grenzziehung zwischen Philosophie, Psychologie und etwa Neurobiologie in vielen philosophischen Sprachen stattfinden kann und der Verlauf nicht automatisch feststeht. Die blinde Offenheit, die Birgit Recki dem „Philosophie Magazin“ anlastet, trifft indes noch viel mehr auf die konkurrierende Zeitschrift „Hohe Luft“ zu (www.hoheluft-magazin.de, 2013/1, 8 €).

Sie tritt, wie es im schönsten Neudeutsch heißt, mit dem „Claim“ an, „für alle, die Lust am Denken haben“, politische, wirtschaftliche und kulturelle Themen aus einem philosophischen Blickwinkel zu betrachten, weshalb es um Liebe, Authentizität und Gelassenheit geht – Themen, die man eher mit der ebenfalls aus dem Hamburger Verlagshaus Inspiring Network stammenden Zeitschrift „Emotion“ (www.emotion.de) voller „Inspiration und Impulse für selbstbestimmte Frauen“ vermuten würde. Im hefttypischen Flattersatz geht es aber auch um die Forderung des Covers nach „Schluss mit dem Bullshit!“ – sechs Jahre nachdem Harry G. Frankfurt mit seinem Essay „Bullshit“ Furore machte. Es gibt ein Interview mit Julian Nida-Rümelin und das Versprechen, Heidegger zu „entschwurbeln“.

„Hohe Luft“ und „Philosophie Magazin“ plädieren beide für einen erweiterten Philosophiebegriff, ohne ihn offenen Herzens auf angrenzende geistes- und sozialwissenschaftliche Gebiete ausdehnen zu wollen. Sie holen damit etwas nach, was die Feuilletons mit ihrem erweiterten Kulturbegriff in Richtung Mode und Alltagsdesign seit langem so erfolgreich praktizieren, dass ihnen darüber manchmal der engere Kulturbegriff fremd geworden zu sein scheint. In der Philosophie, das lernt man von Birgit Recki, sind Gewinn und Verlust dieses Vorgehens doppelt riskant.

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