Polnischer Film "Papusza": Fluch der Verse
Das epische Schwarz-Weiß-Drama „Papusza“ basiert auf dem Leben der ersten polnischen Roma-Dichterin Bronisława Wajs, die Papusza genannt wurde.
Zwei Kinder machen im Wald einen aufregenden Fund: Ein Messer, eine Lupe, Schmuck und etwas Geld liegen versteckt in einem Baum. Anders als der Junge interessiert sich das Mädchen auch für die Zeitung, in die die Münzen eingewickelt sind. Für die Romni Papusza (Paloma Mirga) ist es der erste Kontakt mit Geschriebenem. Der Zauber der Buchstaben wirkt so stark auf sie dass sie einen Weg findet, lesen zu lernen.
Die Romafamilien, mit denen Papusza durch Polen zieht, schätzen ihre Fähigkeiten nicht. „Das Lesen hat dich völlig verdorben“, fährt ihr Mann, der Orchesterchef Dionizy (Zbigniew Waleryś), sie einmal an. Er erwartet Nachwuchs, sie will nicht. Wie die beiden doch noch zu einem Sohn kommen und Papuszas Schriftbegeisterung sich in einen Fluch verwandelt, das erzählt das epische Schwarz-Weiß-Drama „Papusza“, das ein weiteres Beispiel für die momentane Stärke des polnischen Kinos ist. Die von Joanna Kos Krauze und ihrem im Dezember verstorbenen Mann Krzysztof Krauze inszenierte Geschichte basiert auf dem Leben von Bronisława Wajs (1910–1987), die als erste Dichterin der polnischen Roma gilt.
Immer ist der Treck der Roma in den Weiten der Landschaft zu sehen
Das Regieduo bemüht sich um einen respektvollen Blick auf die Roma, meilenweit von den ausbeuterischen Roma-Zeichnungen eines Emir Kusturica entfernt. In ruhigen Totalen wird immer wieder der kleine Treck ins Bild gesetzt, der durch strahlende Sommerlandschaften rollt oder sich über verschneite Wege kämpft. Auf friedliche Szenen im Lager folgen Bilder der Ausgrenzung und Gewalt durch die Gesellschaft. Allmählich entsteht in dem durch die Jahrzehnte springenden Film ein eindringliches Bild der Roma-Gemeinschaft, die unter staatlichem Zwang in den 50ern schließlich sesshaft wird. Dionizy drückt seinen Kummer darüber in einer herzzerreißenden Zerstörungsattacke gegen den alten Holzwagen aus, Papusza (als Erwachsene: Jowita Budnik) verfasst Gedichte. Sie schickt sie an den Warschauer Autor Jerzy Ficowski (Antoni Pawlicki), der sich einst bei den Roma versteckt und Papusza zum Schreiben ermutigt hatte. In einer Mischung aus Hybris und gutem Willen schwingt er sich zum Kulturvermittler auf und setzt eine für Papusza fatale Dynamik in Gang.
"Papusza" wurde größtenteils in der polnischen Romanes-Version gedreht
Begleitet von der melancholischen Musik der Roma entfaltet „Papusza“ große dramatische Kraft, ohne in einen anklagende Tonalität zu driften. Beeindruckend, wie sensibel das Regie- und Autorenduo die Frage nach der kulturellen Repräsentanz einer Minderheit behandelt und gleichzeitig die Dynamik der verschworenen Gruppe spiegelt. Im Schlussbild des größtenteils in polnischem Romanes gedrehten Films zieht noch einmal ein Treck über ein karges Feld, dazu ertönen die Klänge einer von Papusza inspirierten Oper – eine Verbeugung vor der Roma-Kultur. „Mögen sich bei meinen Versen die Roma von überallher versammeln, um mir zu lauschen“, singt der Frauenchor. Dass der Poetin nun wieder gelauscht wird, dazu trägt auch „Papusza“ bei. In Polen wurden ihre Gedichte zum Filmstart neu aufgelegt.
In Berlin: fsk, Hackesche Höfe, Krokodil (alle OmU)