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Jesse Hughes mit Federschmuck.

© Promo

Konzertkritik: Boots Electric im Lido

Jesse Hughes frönt mit seinem Soloprojekt "Boots Electric" einer Art elektronischem Glam Funk. Beim Konzert im Lido fehlt der neuen Band noch der richtige Biss.

So kennt man Jesse Hughes, so lieben ihn seine jubelnden Fans im Lido: Zurückgeschmierte Haare, schwarze Sonnenbrille, dichter Schnauzbart, große Klappe. "Are you ready for Rock 'n' Rooool?" Mit zackigen Bewegungen zuckt und zappelt er über die gesamte Bühnenbreite, hin und her, in einem aufgepulverten Ententanz mit weißer elektrischer Maton-Gitarre und kreischt "Oh Girl".

Das ist witzig, weil er die Liebe zum Rock 'n' Roll zwar Ernst nimmt, sich aber gleichzeitig auf charmante Weise lustig macht über dessen klischeehafte Macho-Posen. Und weil es aussieht als würde Jesse Hughes Helge Schneider nachahmen, wie der wiederum Jesse Hughes parodiert. Sonnenbrille rauf, Sonnenbrille runter. Wieseln und Gockeln. Wie angestochen. Und aufgezogenes Hochgeschwindigkeitsgeplapper: "Eh, man! Alright, man! Can you dig it?"

So kennt man den Kalifornier Jesse Hughes von den mitreißenden Konzerten der Eagles Of Death Metal, der flotten Garagenband mit dem lustig irreführenden Namen, die er 2004 mit seinem ehemaligen Schulfreund Josh Homme gegründet hatte. Da Homme allerdings wegen seiner Engagements bei den Queens Of The Stone Age und Them Crooked Vultures nur noch sporadisch Zeit hat für die Eagles Of Death Metal, hat sein alter Kumpel Jesse Hughes beschlossen, zukünftig auf eigenen Füßen zu rocken.

Sein erstes Soloalbum als "Boots Electric", das dieser Tage unter dem Titel "Honkey Kong" erscheinen wird, frönt einer Art elektronischem Glam Funk, und klingt wie Demoaufnahmen mit elektronischen Computersounds, Synthesizer und Drum-Machines.

Umso spannender die Frage, wie sich die Songs des Albums im Konzert anhören, gespielt von einer richtigen Band. Mit "Love You All The Time" besingt Hughes seine hübsche zierliche Freundin, die dicht neben ihm, dekorativ in eine schwarz-rote Korsage geschnürt, sehr solide einen durchsichtigen Dan-Armstrong-Bass aus Plexiglas bespielt.

Ob es am Jet Lag liegt, oder dass sie noch nicht richtig aufeinander eingespielt sind, oder dass sie einfach zu wenig geprobt haben? Irgendwie fehlt dieser neuen Band noch der richtige Biss. Der Sound ist dünn und wackelig, etliche Klänge kommen aus einer staubigen Vorratskiste vom Speicher, und die Songs erlahmen zusehends. Der Drummer hat Probleme mit seinem Kopfhörer, den er sich mit einem dicken Tuch um den Kopf gebunden hat. Er verschleppt das Tempo. Der zweite Gitarrist wirkt eher drittklassig gegen den brillanten Dave Catching der Eagles Of Death Metal.

Vielleicht sind die Vergleiche mit den Eagles Of Death Metal ungerecht, aber sie drängen sich zwangläufig auf. Immerhin hat Jesse Hughes dort seine eigenen Maßstäbe gesetzt, an denen er sich jetzt messen lassen muss.

Gut wird es, als Hughes die Band in die Kabine schickt, und er ganz alleine mit riffiger E-Gitarre den ersten herausragenden Song des Abends singt: "Brown Sugar" von den Rolling Stones. Eine feine Version, gefolgt vom nicht weniger griffigen "I Only Want You" … vom ersten Album der Eagles Of Death Metal ("Peace Love Death Metal", 2004).

Gemeinsam mit der zurückgekehrten Band ist Jesse Hughes dann endlich wieder in seinem eigentlichen Element, mit ein paar "oldies but goldies" und dem schmutzigen Garagensound zweier Eagles-Of-Death-Metal-Songs: "Whore Hopping" und "Speaking In Tongues". Davon können die Fans dann nicht genug kriegen, doch nach einer Dreiviertelstunde ist es vorbei.

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