zum Hauptinhalt
Auch ein verrenkter Rücken kann entzücken: Mark Knopfler - malad, aber umjubelt.

© dpa

Konzertkritik: Mark Knopfler: Fingerfertige Elektrizität

Ob zuletzt im Kreuzberger Meistersaal vor 150 Zuhörern oder vor 11.000 gestern Abend in der O2-World: Mark Knopfler begeistert auch nach Jahren noch seine Fans - aktuell trotz verrenkten Rückens.

Mit 11.000 Besuchern ist die komplett bestuhlte O2 World ausverkauft. Eigentlich kein schöner Rahmen für ein Konzert von Mark Knopfler, aber vielleicht angemessen, denn der 60-jährige Gitarrist, Sänger und Songschreiber zählt mit rund 120 Millionen verkaufter Platten zu den erfolgreichsten Pop-Stars der letzten 25 Jahre. Längst spielt er in der Liga "Stadionrock", wo Arenen wie das Berliner Velodrom – hier trat Knopfler vor zwei Jahren auf - oder die O2 World fast noch als "Club Gig" durchgehen. Ein bisschen schade ist das allerdings für die Musik, die in ihrem Wesen eher ruhig und bescheiden zurückhaltend, in einer intimeren Umgebung sicher besser zur Geltung käme als hier - mit schwer zermatschtem Hallenhall in schmerzhafter Lautstärke.

Es beginnt sehr ruhig und schön mit Tin Whistle, Geige und Akkordeon, akustischen Gitarren - dem wehenden Klang einer keltischen Folk-Melodie, in die Knopfler den typischen elektrisch schwirrenden Sound seiner alten roten Stratocaster einwebt und in seinem nicht minder typischen Geschichtenerzähler-Gesang eine Trucker-Story singt: "Border Reiver" ist der erste Song von "Get Lucky", seinem sechsten und jüngsten Solo-Album.

In ausgewaschenem Blau sitzt Knopfler mit Knitterflatterhemd und Jeans auf einem hohen Drehstuhl, von dem aus er gelegentlich den rechten Fuß auf ein kleines Podest vor sich stellt. Wie beim Schuhputzer. Hier tritt er für an- und abschwellende Klangfarben auf ein Volumenpedal, das er anders nicht erreichen würde vom Hochsitz aus. Manchmal dreht er sich hin zu seinen sieben Mitmusikern, die nach Bedarf die Instrumente wechseln: elektrische und akustische Gitarren, Cittern, Violine, Ukulele, Piano, Orgel, Bassgitarre, Kontrabass, Flöten, Uillean Pipes und ein locker schwingendes Schlagzeug.

Vor sechs Wochen habe er sich den Rücken verrenkt, erzählt Knopfler. Sein Arzt habe ihm daraufhin "Discodancing" verboten, zu stehen und zu laufen. Also sitzt er während des ganzen Konzertes, was seinen Fähigkeiten als Gitarrist und Sänger nicht schadet, zumal Knopfler ohnehin nie ein großer physischer Bühnendarsteller war. Posen liegen ihm nicht, er konzentriert sich aufs Wesentliche. Die Songs, die Musik, seine ausgedehnten Gitarrensoli. Wobei er auf ganz eigene Art seine Liebe für keltische Folk-Musik verbindet mit der Leidenschaft für Americana, Country, Blues und vielleicht auch mal ein bisschen Rock 'n' Roll.

"Sailing To Philadelphia" aus dem Jahr 2000 ist ein früher Höhepunkt. "Coyote" vom "Ragpicker's Dream"-Album (2002) ein sumpfig rhythmischer Stampfer, "Prairie Wedding" betört mit Americana-Feeling, in "Hill Farmer's Blues" (2000) setzt Knopfler wieder seine fingerfertige Elektrizität gegen einen akustischen Bandsound. Etliche Kompositionen des gebürtigen Schotten klingen wie alte traditionelle Folksongs.

Die Fans lieben und bejubeln jeden Song frenetisch, doch die größte Begeisterung brandet Knopfler entgegen, wenn er ein paar alte Songs seiner früheren Band "Dire Straits" aus dem Griffbrett schüttelt. Die rührende Ballade "Romeo & Juliet" mit der metallenen National Resonator-Gitarre und wieder zurück zur roten Strat und "Sultans Of Swing", dem großen Hit des ersten Dire-Straits-Albums von 1978. Der kommt inzwischen ein wenig abgenudelt daher, ohne die markanten kleinen Hüpfer und Schnalzler auf der Gitarre, aber dann wieder überraschend mit einem exquisiten Solo.

Knopfler, der bei seinen Auftritten eigentlich keine Videowände benutzt, erlaubt sich dann doch mal eine kleine technische Spielerei: am Ende des Gitarrenhalses hat er eine kleine Kamera installiert, deren Aufnahmen, auf die Bühnenrückwand projiziert, einen geraden Blick über Knopflers Griffbrett und auf seine Finger erlauben. Wobei sich sehr schön seine außerordentliche Technik studieren lässt: der Anschlag der rechten Hand, mit seinem außergewöhnlichen Fingerpicking und die rasanten "Hammer Ons", "Pull Offs", gezogenen und geschobenen Saiten mit der Linken.

Knopfler setzt mehr auf ältere "Crowd Pleaser" und spielt kaum etwas vom jüngsten Album. Dessen Titelsong "Get Lucky" mit akustischer Gitarre ist allerdings ein weiteres Glanzlicht. "Telegraph Road", noch eine alte Dire-Straits-Nummer, beginnt als ruhige Folk-Ballade, rockt am Ende dann aber extrem laut und scharf.

Da Knopfler wegen seines Rückens ja nicht gehen soll, bleibt er nach knappen zwei Stunden gleich da zur Zugabe: "Brothers In Arms" und "So Far Away" in bedrohlicher Lautstärke. Und schließlich - mit einem Intro-Thema, das an den klassischen Folk-Song "The Wild Mountain Thyme" erinnert - Knopflers "Piper To The End", Hommage an den gestorbenen Onkel. Letzter Song vom neuesten Album. Beim orkanartigen Schlussapplaus wünscht man sich mal wieder so ein ganz kleines Konzert mit geringerer Lautstärke, wie vor drei Jahren im Kreuzberger "Meistersaal" vor 150 Zuhörern.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false