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Als DJ Alle Farben spielt Frans Zimmer auf den Clubbühnen von Berlin bis Tel Aviv.

© Jens Junge / Kallias Music

Portrait: DJ Alle Farben: "Meine Musik ist für alle Menschen da"

Frans Zimmer bringt mit seinen verspielten Beats selbst Elektromuffel zum Tanzen. Wie der Berliner DJ sich in die Herzen seiner Fans mixte - und wohin ihn die musikalische Reise führt.

Es war am ersten Mai 2012: Frans Zimmer stand hinter seinem DJ-Pult in einem winzigen weißen Pavillon. Vor ihm in der Sommerhitze des Tempelhofer Feldes wogte eine Masse von sage und schreibe dreißigtausend Menschen in lächelnder Ekstase zu seinen Beats.

Bilder wie dieses inspirieren Frans Zimmer. Das Gefühl, was er bei seinem Auftritt vor fast einem Jahr auf dem Open Air in Tempelhof hatte, hat ihn überwältigt. Diese Erfahrung hat er jetzt in einer EP verarbeitet. Sie soll im Mai erscheinen, quasi zum Jahrestag.  Und der DJ, der als "Alle Farben" seit einigen Jahren jedes Wochenende auf den Clubbühnen von Berlin bis Tel Aviv steht, arbeitet  auch noch fieberhaft an einem brandneuen Album.

Im Moment sitzt Frans aber in einer Altbauwohnung in "Kreuzkölln" an einem aus Holzböcken und Pappe improvisierten Tisch. Poster von Veranstaltungen pflastern die Wände, der Kühlschrank ist voller bunter Aufkleber. Ein paar junge Menschen sitzen mit im Raum und tippen auf ihren Laptops herum. Es sieht wohnlich aus, nur die Küche  ist einen Tick zu sauber, als dass man den Laden für eine Wg halten könnte. Es ist das Büro von "Kallias”, dem jungen Label, unter dem er als "Alle Farben" seit 2010 Musik macht.

Er hat sich entkoffeinierte Kaffeetabs mitgebracht, vielleicht, um dem Klischee des durchnächtigten Techno-DJs umso deutlicher zu widersprechen. Die braunen Haare sind ordentlich gescheitelt. Er sieht jung aus. Musik, das war auch mal sein Hobby -  inzwischen ist sie für den 27-jährigen zu einem knallharten Beruf geworden. Kochen sei jetzt das einzige Hobby, was er noch für sich ganz alleine hat, erklärt er und schiebt sich eine selbstgemachte Gemüselasagne in den Ofen.

Frans Zimmer auf dem Teufelsberg. In Berlin ist er inzwischen aber nur noch selten zu treffen.
Frans Zimmer auf dem Teufelsberg. In Berlin ist er inzwischen aber nur noch selten zu treffen.

© Jens Junge / Kallias Music

Dass es ernst wird mit seiner musikalischen Karriere merkte Frans vor drei Jahren. Damals konnte er noch nicht von seiner Musik leben. Tagsüber lieferte er als Konditor Torten an Cafés, nachts spielte er so oft es ging in Berliner Clubs: "Ich habe fast jeden Auftrag angenommen, damit die Leute mich durchs Hören kennenlernen konnten. Ich war überall präsent". Die ersten deutschlandweiten Auftritte folgten, die Anfragen multiplizierten sich.

Natürlich habe zu seinem Erfolg auch Glück dazugehört, er sei manchmal einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen. Die Erfahrung in Tempelhof habe dazugehört, aber auch, dass er auf dem Fusion Festival, dem Christopher Street Day und dem Karneval der Kulturen habe auflegen können.

Tatsächlich tanzen junge Menschen auf einmal begeistert zu klassischer Musik von Tschaikowsky...

Inzwischen hat er fast 60.000 Fans auf Facebook und sorgt regelmäßig für lange Warteschlangen und ausverkaufte Hallen. Und die Berliner haben längst nicht mehr das alleinige Privileg, ihn jedes Wochenende zu sehen.Trotz allem bleibt er der Stadt treu, die ihn groß gemacht hat: "Berlin ist einfach eine gute Plattform", sagt der geborene Kreuzberger, der bis heute in seinem Kiez lebt und arbeitet. Man bekomme viele Chancen in Berlin, sagt er - “auch wenn es einen manchmal auffressen kann und man glaubt, unterzugehen."

Seine Musik geht indes in der Hauptstadt alles andere als unter. Irgendetwas scheint ihn angesichts seiner Bekanntheit von seinen Berliner Kollegen zu unterscheiden - vielleicht sein undogmatischer Umgang mit dem selbstgewählten Genre der elektronischen Musik: „Ich orientiere mich nicht nur an elektronischen Klängen, sondern bringe viele Musikrichtungen zusammen“, erklärt er und löffelt seine Lasagne. "Dadurch kann ich nicht straight sein sondern werde automatisch verspielt. Mit meiner Musik habe ich einfach einen Nerv getroffen."

Tatsächlich tanzen junge Menschen auf einmal begeistert zu klassischer Musik von Tschaikowsky oder Schlagern aus den 20er Jahren, wenn Frans sie mit seinem unverkennbaren Klangteppich aus satten elektronischen Beats unterlegt. Fröhlich paart er vertraute Melodien wie "What shall we do with the drunken sailor" oder Tschaikowskys “Danse” mit herzschlagvereinahmenden Rhythmen zu eingängigen Konglomeraten des Vertrauten mit dem Tanzbaren. Elektro für alle. Mit seinen elektronischen Umdeutungen altbekannter Klänge hat er gerüchteweise sogar schon Elektromuffel als Fans ködern können.

Auch die Tatsache, dass seine Remixe so gänzlich frei sind von politischen Untertönen mag sie für manche so hörens- und tanzenswert machen.  "Meine Musik ist nicht politisch und enthält auch keine solchen Botschaften, auch wenn das ist in der Kunst oft anders ist" stellt er klar – und hält sich damit ein breites Publikum offen: "Meine Musik ist für alle Menschen da, egal ob links oder liberal" sagt er. Dass er letzten Dezember den Erlös seiner Plattenverkäufe an die Berliner Kältehilfe gespendet hat, hängt er  nicht an die große Glocke. Vorsichtig weist er nur darauf hin, dass ihm solche Projekte, ebenso wie die Botschaften des Christopher Street Days, ein ein ganz persönliches Anliegen sind. Aber das hat wenig mit seiner Musik zu tun.

Die erscheint noch umso verspielter, betrachtet man sein unprätentiöses  Bühnenverhalten: Hinter dem DJ-Pult gibt es von ihm keine großen Gesten. Er sieht einfach konzentriert auf seinem Laptop und bastelt seine Sounds zusammen. Wenn die Menge tobt, lächelt er - und legt den nächsten Track nach.

Auch auf seinem gerade entstehenden Album will "Alle Farben" wieder populärmusikalischer Stücke auf seine ganz eigene Art remixen. Welchen altbekannten Songs er aber neues elektronisches Leben einhauchen wird, bleibt zunächst aber noch ein Geheimnis. Verraten will er nur, dass er dafür auch mit Labels wie Sinnbus, EMI, Warner und Universal zusammenarbeiten wird.

Seine musikalische Reise scheint ihn dabei in Zukunft aber eindeutig weg von monotonen Technoklängen zu führen: "Ich will mich mit anderen Musikrichtungen, mit Bands und mit echter Musik auseinandersetzen, das macht mir am meisten Spaß. Denn da stecken einfach viel Mehr Herz und Vibrations hinter" sagt er, und der koffeinfreie Kaffee ist ausgetrunken. "Ich will nicht nur im öden Technobusiness bleiben".

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