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Kultur: Rau, aber herzlich

Widrige Platzverhältnisse: Dem Neubau der Französischen Botschaft in Berlin spendiert Architekt Christian de Portzamparc soviel Tageslicht wie möglich

Eine Woche liegt die Einweihung des Neubaus der Französischen Botschaft in Berlin zurück. Jetzt wurde endlich eine offizielle Besichtigung des Hauses möglich. Dafür prangt das Frankreich-übliche Messingschild, das die Einweihung durch den Staatspräsidenten der Nachwelt bewahrt, unübersehbar in der flachen Eingangshalle.

Doch die Architekturkritiker kamen nicht über das Hauptentrée am Pariser Platz, sondern über den Alltagseingang in der Wilhelmstraße. Zwischen den beiden Straßenfronten des Grundstücks hatte Christian de Portzamparc, der Sieger des Architekturwettbewerbs von 1997, eine öffentliche Passage vorgesehen, mit Berliner Pflastersteinen belegt, um Schwellenangst zu verscheuchen. Die Sicherheitsvorschriften, denen Staatsbauten seit dem 11. September nur noch stärker unterliegen, verwiesen die Idee ins Reich der Utopie. Jetzt versperren groß dimensionierte, verglaste Portierslogen den Weg.

Der 58-jährige Pariser Architekt aus bretonischer Familie stellt selbst sein Werk vor. Er berichtet sachlich, sein Tonfall ist ohne Emphase. Man meint hinter den Erklärungen zu Raumdisposition oder Materialwahl die Auseinandersetzungen zu verspüren, die es mit der Berliner Senatsbauverwaltung auf der einen und den Ministerialen vom Quai d’Orsay auf der anderen Seite gegeben haben muss. Beiden verwehrte Portzamparc die Erfüllung ihrer Träume. Den Berliner Gestaltungsvorschriften für den Pariser Platz folgte er, was die klassische Einteilung der Fassade in Sockel, Hauptgeschosse und Attika angeht, er unterlief sie indessen durch die Bevorzugung des Betons, den er im Sockel lediglich als Rustika formen ließ. Und dem repräsentationsbewussten Pariser Außenministerium versagte er eine prachtvolle Residenz, um stattdessen ein Ensemble aus sieben Bauten und zwei Höfen, aus Gärten und baumbestandener Allee, ein veritables quartier in das schwierige Grundstück zu zwängen.

Der gestrige Mittwoch bot, was Portzamparc zur Erklärung seines komplizierten Entwurfs stets heranzieht: grauen Himmel und nasskaltes Wetter. So war es schon, als er im November 1996 erstmals das lang gezogene Grundstück besichtigte, das in der Zwischenzeit auf allen Seiten von 28 Meter hohen Brandwänden umstellt wurde. „Wenn es mir bis Dezember nicht gelingt“, schildert er seine Reaktion, „diesem Grundstück Licht zu verschaffen, gebe ich auf.“

Die Lösung lag für den Architekten in der Verteilung der geforderten Bruttogeschossfläche von immerhin 18000 Quadratmetern auf separate Gebäudeteile, die einen kleineren Hof Richtung Wilhelmstraße und einen größeren und vor allem um sieben Meter angehobenen Garten hinter der Kanzlei am Pariser Platz umstellen. Das in Berlin bis zum Überdruss gehandhabte glasgedeckte Atrium schied als Lösung aus. In jedes Büro, in jeden Sitzungssaal und Empfangsraum sollte ungefiltertes Tageslicht gelangen, sollte die Enge des Grundstücks durch Offenheit und Naturnähe überwunden werden.

Bei den Materialien griff Christian de Portzamparc auf Alltägliches zurück: vor allem Beton, den er auf höchst anregende Weise polieren, schleifen oder fräsen ließ, um unterschiedliche Oberflächen zu erhalten, auf Holz für die Böden der Repräsentationsräume, auf Glas und metallene Fensterrahmen. Die bisweilen ruppigen Übergänge, etwa von Beton zu Holz, nennt der Architekt „ein Spiel von einander entgegengesetzten Materialien“. Wiederholt lässt er einfließen, dass es sich um ein „ökonomisches“ Bauvorhaben handele; als hätte er „ein preußisches“ sagen wollen. „Ich wollte schlichte und preiswerte Materialien nehmen, natürlich auch zeitgenössische – vor allem aber solche, die mit dem Tageslicht gut reagieren.“ Das Licht eines Berliner Wintertages schmeichelt gewiss nicht; aber es dringt tatsächlich in die Räume und macht vergessen, auf welcher Etage sich der Besucher befindet. Mit Farbe geht Portzamparc sparsam um, beschränkt sich auf eine gedämpfte Palette von Naturtönen, der an manchen Stellen ein kräftig eingefärbter, bisweilen gar leuchtender Wandputz antwortet.

Die Zurückhaltung überrascht insofern, als der bereits 1994 mit dem renommierten Pritzker-Preis geehrte Architekt in dem Ensemble der Pariser Cité de la Musique ein bemerkenswert farb- und formenfreudiges Ensemble geschaffen hat. In Berlin, so betont er später im Gespräch, sei es hingegen um die „Würde“ des Gebäudes gegangen, eines in klassischer Haltung entworfenen Bauwerks, „kraftvoll, robust, zugleich herzlich“.

Für die Innenausstattung zeichnet seine Ehefrau Elizabeth verantwortlich. Sie betont die Eleganz in einer von Ferne an art déco erinnernden Sprache. Die Tradition des französischen Kunsthandwerks schimmert auf, in den gekurvten Stühlen und fauteuils oder den mit Wandbildern versehenen Schiebetüren, die die Empfangssäle der bel étage teilen. Die Auswahl der dort verteilten Kunstwerke, für die – wie stets in solchen Fragen – eine Kommission verantwortlich zeichnet, ist kraftlos-dekorativ. Dass die Innengestalterin das Rohe und Raue, das die Architektur bereithält, zu glätten versucht, als handele es sich um Pariser Staatsarchitektur der dreißiger Jahre, ist zumindest unglücklich.

Die Innenräume sind die Stärke des Architekten nicht – auch dies in einem überraschenden Gegensatz zu seinem Meisterwerk der Cité de la Musique. Christian de Portzamparc hat sich in Berlin erkennbar mit der schwierigen Grundstücksdispoition abgeplagt. Seine gemeinsam mit dem Gartenarchitekten Régis Guignard getroffene Entscheidung, ausgerechnet die 140 Meter entlang der Brandwand des Jakob-Kaiser-Hauses nur halbhoch zu bebauen und auf diesem, „Viadukt“ genannten Bauteil in elf Metern Höhe eine Birkenallee anzulegen, den Beton des Nachbarhauses aber von Hopfen beranken zu lassen, vermag an diesem grünlosen Wintertag nicht zu überzeugen.

Das Konzept des vielgliedrigen Stadtquartiers geht hingegen auf, wenn man von ebendieser Birkenpromenade hinunterschaut. Dann überrascht die Bandbreite der Fassadengestaltungen, der Fensterformate, der Sichtschutzgitter, die sich in den Blick stellen und mit jedem Schritt die Perspektive verändern. Jedem Bauteil kommen eigene Aufgaben zu. So sind die Sitzungssäle in fünf Etagen übereinander in einen schlanken, voll verglasten Turm gestapelt worden, der das Scharnier bildet zwischen dem eher büromäßigen Konsulat an der Wilhelmstraße und der zu Repräsentation plus Wohnzwecken dienenden Kanzlei am Pariser Platz.

Die Platzfassade kommt an diesem Vormittag nicht zur Sprache. Sie war Gegenstand manchen Unmuts. Und sie ist doch ein Bauteil, das dem Anspruch auf eine zeitgemäße Würdeform wunderbar genügt. Die vermeintlichen Schießschartenfenster im Sockelgeschoss, einerlei, ob sie den Sicherheitsanforderungen geschuldet sind, müssen gerade so sein, um die doppelgeschossigen Fenster darüber zur Wirkung zu bringen. Die schräg aufs Brandenburger Tor gerichtet eingeschnittenen Fensterlaibungen sind ein vorzüglicher Einfall, um die Ecklage des Grundstücks optisch aufzuwerten und nicht durch den Schattenfall der Nachmittagssonne noch zu verstärken. Dass die Glasfuge zum rechts angrenzenden Bürohaus-Neubau auf den Gebäudeabstand der Vorkriegsbebauung anspielt, muss man nicht wissen. Sie wirkt für sich , als Zäsur in einer Bebauung, die den Pariser Platz zum Ort heterogener Nutzungen macht – leider, wie man bedauern muss.

Es ist der anspruchsvollste Neubau, den Christian de Portzamparc an den Pariser Platz gestellt hat. Das aus der Bauaufgabe „Botschaft“ gebotene Pathos mit den Notwendigkeiten seines Alltagsbetriebs zu einem kraftvollen Ensemble verschmolzen zu haben, markiert den Rang des Neubaus der Französischen Botschaft in Berlin.

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