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Kultur: Republikanische Clowns

Im Kino: „Die Qual der Wahl“.

Immer wieder kommt es vor, dass sich US-Präsidentschaftskandidaten im Wahlkampf selbst ein Bein stellen, Sarah Palin und Mitt Romney seien hier genannt, aber das Rennen bleibt bis zum 6. November offen. Dumm gelaufen ist es auch für Kongressmann Cam Brady (Will Ferrell), einen smarten Ivy-League-Absolventen, der in seinem ländlichen Wahlkreis in North Carolina seit langem konkurrenzlos herrscht. Doch dann wählt er eines Abends die falsche Nummer, und so landen seine gar nicht jugendfreien Liebesgrüße statt auf dem Anrufbeantworter der knusprigen Gelegenheitsbekanntschaft bei einer puritanischen Familie, die gerade ihr Tischgebet spricht. Der Skandal ist in der Welt. Peinlich für Brady und äußerst ungelegen für seine geldmächtigen Unterstützer, die Motch-Brüder. Die ziehen nämlich eigentlich die Strippen im Land und beschließen, den gefährlich triebgesteuerten Macho gegen einen willfährigeren Kandidaten auszutauschen. Der ist schnell gefunden in Marty Huggins (Zach Galifianakis), dem Vorsteher des örtlichen Tourismusbüros, einem jovialen Kerlchen im selbstgestrickten Pullunder mit grundbiederer Weltsicht und ebensolchem Verhalten.

Ein Politprofi ist der nicht gerade, doch genau das macht ihn zum perfekten Handlanger für die üblen Machenschaften seiner Auftraggeber. Die stellen Huggins als Soforthilfe den mit allen Watergate-Wassern gewaschenen Wahlkampfmanager Tim Wattley zur Seite, der das Leben der Familie Huggins gründlich auf patriotische Linie bring, samt neuer Möblierung und amerikanischem Adler über dem Kamin. Selbst die beiden Möpse (zu dekadent französisch, oder war es doch eher China ...?) werden gegen einheimische Rassen ausgetauscht. Danach wird der reichlich arglose Kandidat von dem als finsterer Hitman inszenierten Wattley in die Kampfkünste der politischen Arena eintrainiert.

Mit Erfolg. Bald liefern sich Brady und Huggins einen Wahlkampf, der von der gegenseitigen Diffamierung als Terror- oder Kommunist bis zur exzessiven Ausstellung eigener Rechtgläubigkeit nichts auslässt. Nur die Hauptsache: die heimliche Geiselnahme des Wahlkreises durch die Motch-Brüder im Hintergrund.

Regisseur und Ko-Produzent Jay Roach („Austin Powers“, „Game Change“ ), Produzent Adam McKay („The Dictator“), die Drehbuchautoren Chris Henchy und Shawn Harwell und die Schauspieler Will Ferrell und Zach Galifianakis, die den Film auch mitproduziert haben, sind allesamt gewiefte Komödianten. Das zeigen sie auch in dieser zünftigen Politsatire, die im Original trocken „The Campaign“ heißt und auf allen Positionen glänzend besetzt ist. „Die Qual der Wahl“ ist grandiose Unterhaltung und bissige Manöverkritik, die mit Schärfe und – für die USA – rarer sexueller Explizität die Tarnung privater ökonomischer Interessen in den Clownerien der politischen Inszenierung thematisiert.

Dabei lässt sich der kleine Provinzkosmos des Films schlüssig auch nach Washington übersiedeln, kommt also gerade zur rechten Zeit. Wie die Produzenten berichten, waren sie des Öfteren erstaunt, wie nah die Niederungen des realen amerikanischen Vorwahlkampfs an ihre Drehbuchideen heranreichten. Für die Wirklichkeit ist das bitter. Doch zum Glück ist die Fantasie dieser Filmsatire auch der abstrusesten Realität immer noch ein bisschen voraus. Silvia Hallensleben

Cinemaxx Potsdamer Platz, UCI am Eastgate, Cinestar Sony Center (OV)

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