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Raubtier mit Geparden-Tattoo. Cameron Diaz als Inkarnation der Gier.

© Twentieth Century Fox

Ridley Scotts Thriller „The Counselor“: Die toten Augen von El Paso

Kalt, böse und dekadent: Ridley Scotts Meta-Thriller „The Counselor“ verfeinert die Genreregel in philosophisch-sadistischer Manier. Der Zuschauer wird von dem immensen Staraufgebot geblendet und von der kruden Story mit Bravour verwirrt.

Es ist eine alte Regel des Dramas, dass jede Waffe, die ins Bild gerät, später auch eingesetzt wird. „The Counselor“ verfeinert die Genreregel in philosophisch-sadistischer Manier. Jede Mordmethode, vor der detailreich gewarnt wird, kommt in diesem an der amerikanisch-mexikanischen Grenze angesiedelten Drogendrama garantiert zum Einsatz. Action als verbaler Gewaltakt: zum Beispiel die Drahtschlingennummer, bei der dem Opfer der Kopf sauber vom Hals getrennt wird, mit einem unzerstörbaren, sich per Mini-Motor zuziehendem Draht. Oder das per Post zugesandte Snuff-Video, dessen Empfänger grausame Misshandlungen zu sehen bekommt, die letzten Stunden seiner Liebsten.

Die dunkelsten Seiten Amerikas

Nicht dass man alles zu sehen bekäme in Ridley Scotts Meta-Thriller, dessen Drehbuch Cormac McCarthy verfasst hat – es ist sein erstes Originalscript. Gewöhnlich evoziert der Schriftsteller („No Country for Old Men“, „The Road“) die dunkelsten Seiten Amerikas in der Fantasie seiner Leser. Warum nicht auch mal in den Köpfen der Zuschauer? Die werden erst einmal vom immensen Staraufgebot geblendet – Michael Fassbender, Penélope Cruz, Javier Bardem, Brad Pitt, Cameron Diaz (und Bruno Ganz und Rubén Blades in Nebenrollen) – wie von der hochglanzpolierten Optik einschließlich erlesenster Modelabels.

Gehörig verwirrt werden sie auch, durch eine absichtsvoll krude Story, in der der Titelheld namenlos bleibt. Der Counselor und Topanwalt möchte seine atemberaubend schöne Verlobte (das Liebesspiel von Fassbender und Cruz unter blendend weißen Bettlaken bildet den erotischen Auftakt des Films) und lässt sich deshalb auf einen lukrativen illegalen Deal ein. Eingefädelt wird er vom exzentrischen Nachtclubbesitzer Reiner (Bardem), aus dem Nichts der texanischen Wüste taucht außerdem Brad Pitt als cooler Mittelsmann auf.

Karikatur oder sarkastische Selbstironie? Alles und alle sind radikal over the top geraten. Der Kontrast zwischen blitzblankem amerikanischem Neureichenpomp in El Paso und schmuddeligem mexikanischem Gangstermilieu in Juárez. Fassbender als enervierend charmanter Parsifal im Gangsterland, dem das Lächeln zu spät vergeht. Cruz als betörende Unschuld, die eh keine Chance hat. Pitt als Dandy im geschmacklosen Cowboy-Outfit, der noch geschmacklosere Witze erzählt. Und Javier Bardem mit schrillen Hemden, dekadenten Brillen und wirr abstehendem Haar, als sei der Blitz in ihn gefahren.

Cameron Diaz mit Geparden-Tattoo und Goldzahn

Den Vogel schießt Cameron Diaz als Reiners Geliebte ab. Sie hat Sex mit einem Ferrari (Spagat, Windschutzscheibe, zu „gynäkologisch“, findet Reiner), trägt ein Geparden-Rückentattoo, einen Klunker von Goldzahn, hautenge Kleidung und den klobigsten Schmuck der Welt. Als Superluxusgeschöpf mit Raubtierinstinkt ist sie das Beste, was „The Counselor“ zu bieten hat: die Inkarnation der Gier. Am Ende fällt der Film der kalten Brillanz seiner intellektuellen Ambitionen zum Opfer, der Mechanik des Bösen, der Hypermoral des Plots. Es ist, so die „Village Voice“, als ob man zur Sonntagsschule ins Bordell ginge. Dass etliche Stars am Ende tot sind, ist schon deshalb egal, weil ihre Figuren vorher nie lebendig sein durften.

„The Counselor“ startet am 28. November in 15 Berliner Kinos. OmU im Babylon Kreuzberg und Hackesche Höfe, OV im Cinemaxx und im Cinestar Sony-Center.

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